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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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• Überwindung der Kapitaldominanz bedeutet nicht Geringschätzung oder gar<br />

Diffamierung des unternehmerischen Interesses an Gewinnerzielung. Es geht<br />

um eine staatliche Rahmensetzung, die entsprechend Grundgesetzartikel 14<br />

»Eigentum verpflichtet, es soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen«,<br />

betriebliche Gewinne über eine entsprechende Besteuerung angemessen für die<br />

Finanzierung des Gemeinwesens nutzbar macht.<br />

• Kapitaldominanz überwinden heißt, kleine und mittlere Unternehmen in den<br />

Mittelpunkt der Steuer-, Finanz- und Förderpolitik zu rücken. Sie sind es, die<br />

den größten Beitrag für Beschäftigung und Ausbildung leisten, zumeist standortgebunden<br />

produzieren und keine ökonomische Macht besitzen, die sie wie<br />

Konzerne zur Einflussnahme auf politische Entscheidungen missbrauchen können.<br />

Nach einer jüngsten Studie der Unternehmensberatung Accenture schufen<br />

Dax-Konzerne und MDax-Unternehmen in den vergangenen Jahren Arbeitsplätze<br />

vor allem im Ausland und strichen solche im Inland. Allein bei Dax-Konzernen<br />

gingen von 2002 bis 2006 156.000 Arbeitsplätze im Inland verloren.<br />

Dieser Trend wird anhalten. Demgegenüber waren 80 Prozent der neuen Beschäftigungsverhältnisse<br />

im Jahre 2006 den kleinen und mittleren Betrieben zuzuschreiben.<br />

2007 sollen es von 640.000 neuen sozialversicherungspflichtigen<br />

Arbeitsverhältnissen mindestens 500.000 sein. 14<br />

c) Schlechte Erfahrungen ostdeutscher Linker mit einem bevormundenden, alles<br />

bestimmenden, sich überall einmischenden Staat im Realsozialismus und linker<br />

Altbundesbürger mit einem bürokratischen, steuerschluckenden Moloch können<br />

weder Grund noch Rechtfertigung dafür sein, sich jetzt staatsabstinent zu<br />

geben und von der Rolle des Staates nur noch abfällig zu reden. Ersteres ist nicht<br />

wieder erstrebenswert und das Zweite nicht bewahrenswert. Zwischen »Etatismus«,<br />

der Staatsgläubigkeit, der Überbewertung der Rolle des Staates und einer<br />

Gemeinwohlinteressen sichernden Instanz gilt es zu unterscheiden.<br />

• Die neoliberale Theorie weist dem Staat nur Funktionen bei Marktversagen zu.<br />

Staatstätigkeit wird aus Marktversagen abgeleitet. Der Staat also als Reparaturbetrieb,<br />

so jüngst auch bei Deutsche Bank-Chef Ackermann im Zusammenhang<br />

mit der US-amerikanischen Hypothekenkrise. Nachweisliches Versagen des<br />

Staates spricht nicht dafür, der Marktsteuerung Priorität einzuräumen. Es geht<br />

vielmehr um das Herstellen von Bedingungen, die seine diesbezüglichen Möglichkeiten<br />

erweitern. In einem alternativen Gesellschaftsentwurf müssen gesellschaftliche<br />

Planung, Sicherung gesamtwirtschaftlicher Rationalität und gemeinschaftliche<br />

Kontrolle ihren Platz haben. Auch sind Organisation, Autorität und<br />

Hierarchien unverzichtbar, weil sonst komplexe Produktionsstrukturen nicht<br />

beherrschbar und gesellschaftliche Leitung und Planung nicht möglich sind.<br />

• Eine aktive Rolle des Staates bedeutet kein Mehr an Vorschriften im Alltag, sondern<br />

Übertragung von mehr Verantwortung an die Bürgerinnen und Bürger bei<br />

14 Ein neuer Mittelstand. In: Welt am Sonntag vom 8. 6. 2008.<br />

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