Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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Autonomie der sozialen Bewegungen<br />
Ausgerechnet an dieser Stelle, in der Beanspruchung des Begriffs wie der Sache<br />
des Rechts einschließlich des (zugegeben fragwürdigen) Rechts auf Aneignung,<br />
trifft sich die »Strömung«, zu der die IL werden will, mit der Wahl- und Bewegungspartei,<br />
zu der DIE LINKE werden will.<br />
Die IL trifft DIE LINKE, weil sie weiß, dass das Recht auf Aneignung – unter<br />
und für kapitalistische(n) Verhältnisse(n) prinzipiell inakzeptabel – in seiner eigenen<br />
stets autonomen Form dennoch auf partielle formelle Sicherungen angewiesen<br />
ist und sein wird. Für die IL prominentes Beispiel: der Kampf um das Recht auf<br />
globale Bewegungsfreiheit und seine stets nur partiellen rechtlichen Formalisierungen<br />
in und aufgrund der Geschichte der Migration. Soll dies wieder, soll dies<br />
besser möglich werden als zuvor, erfordert dies auch eine politische Kraft, die im<br />
Staat so operiert, wie DIE LINKE oder zumindest Teile der Partei das wollen. Was<br />
zum Recht auf globale Bewegungsfreiheit gesagt werden kann, kann so auch zum<br />
Recht auf ein bedingungsloses Existenzgeld und zu anderem gesagt werden, das in<br />
den Bewegungen als »Richtungsforderung« zu artikulieren wäre.<br />
DIE LINKE wiederum trifft die IL, wenn und sofern sie wirklich sowohl Wahl-<br />
und Bewegungspartei werden will. Das wird ihr dann und nur dann gelingen, wenn<br />
sie sich gerade in dem, was sie als Wahlpartei im Staat durchsetzen will, auf das<br />
verwiesen sieht, was soziale Bewegungen sich gegen den Staat anzueignen vermögen.<br />
Sie wird aber eben deshalb auch und stets auf ein Projekt wie die IL verweisen<br />
müssen, das die Autonomie sozialer Bewegung von innen her zu radikalisieren,<br />
weil ausdrücklich gegen Staat und Eigentum zu politisieren sucht.<br />
Das derart zwingende Treffen beider setzt allerdings die fortgesetzte Trennung<br />
voraus – und bestätigt sie immer wieder neu. Im gelingenden Fall ist diese Trennung<br />
dann aber, ich komme auf meine Leitthese zurück, nicht eine strukturelle,<br />
sondern eine funktionale, arbeitsteilige. Wie das geht? Indem beide Seiten ihre<br />
Trennung auch als solche kommunizieren, also selbst und gegenseitig zum Teil<br />
ihres Gemeinsamen machen – und dafür die Orte und die Gelegenheiten suchen. 8<br />
Diese wiederum, das macht das Projekt zu mehr als zu einer Sache des guten Willens,<br />
finden sich nur dort, wo autonome soziale Bewegungen sie einräumen, ihnen<br />
ihre Zeit geben.<br />
Ort und Gelegenheit: Die Krise<br />
Der Bezug der letzten Überlegungen zu den Grünen und den Autonomen liegt auf<br />
der Hand: Im Grunde geht es darum, noch einmal und besser zu machen, was<br />
8 Zu diesem emphatisch gebrauchten Begriff vgl. Michael Hardt, Antonio Negri: Multitude. Krieg und Demokratie<br />
im Empire. Frankfurt 2004, wo er sich nach meiner Zählung wenigstens an 28 Stellen findet. Politisch und philosophisch<br />
interessant ist die Weise, in der dieser Begriff den des Universellen bzw. Universalen verschiebt.<br />
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