Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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Teilnahme am gesellschaftlichen Leben für wirtschaftlich Schwa che. Damit fokussieren<br />
diese Projekte auf zwei (Haupt-) Zielgruppen linker Politik.<br />
Insbesondere zielt die Umwandlung von Ein-Euro-Jobs in reguläre Stellen im<br />
Rahmen eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors darauf ab, der Agenda<br />
2010 auch durch landespolitische Aktivitäten die Spitze zu nehmen. Als erstes ist<br />
es selbstverständlich ein hohes Gut, wenn die ca. 15.000 hessischen Ein-Euro-Jobber<br />
wieder Arbeitsverhältnisse angeboten bekommen, von denen sie auch leben<br />
können. Darüber hinaus ist es aber wichtig, den politischen Druck auf ganze Betriebsbelegschaften<br />
zu minimieren, die angesichts der ganz realen Gefahr, innerhalb<br />
von 12 Monaten nach Verlust ihres Arbeitsplatzes unter die Armutsgrenze zu<br />
fallen, immer weiter geknebelt und geknechtet werden.<br />
Problematischer ist die Umsetzung des Anspruchs auf bewusstes soziales Lernen<br />
und damit die Entwicklung unserer Partei als lernender Organisation. Und wie<br />
immer geht es dabei vor allem um den Gegensatz zwischen Basisdemokratie und<br />
Repräsentation – sowohl in Fraktion als auch Landesvorstand. Tendenziell gefährdet<br />
dabei der Anspruch auf (rasche) Handlungsfähigkeit die Transparenz und offene<br />
Diskussion. Zwei Hauptkonfliktebenen sind dabei von Bedeutung. Funktionäre<br />
und Mitglieder aus der Quellpartei PDS hatten sich (zu) lange darauf<br />
ein gerichtet, dass ihre Entscheidungen und Positionierungen sowieso nur äußerst<br />
schwer (mediale) außerparteiliche Aufmerksamkeit erzielten. Von daher war es<br />
nicht so schwerwiegend, einen Beschluss auf die nächste Sitzung zu verschieben<br />
oder dort die Diskussion mit einem veränderten Ergebnis wieder aufzunehmen.<br />
Funktionäre und Mitglieder aus der Quellpartei WASG sind größtenteils auch aus<br />
Misstrauen gegenüber ihren früheren Parteifunktionären aus ihrer Ursprungspartei<br />
ausgetreten und übertragen diese Erfahrungen häufig auch auf die neue Partei DIE<br />
LINKE. Aus beiden Effekten erwächst ein enormer Informations- und Kommunikationsbedarf,<br />
der andererseits durch ehrenamtliche Mitglieder zeitlich nur eingeschränkt<br />
verwirklicht werden kann. Vollkommen verständlich ist, dass ehrenamtliche<br />
Funktionäre, zumal wenn sie berufstätig sind, an einer täglich oder im<br />
48-Stun den -Rhythmus tagenden Verhandlungsgruppe nur eingeschränkt teilnehmen<br />
können – von den finanziellen Belastungen ständiger Reisetätigkeit zu Sitzungen<br />
ganz abgesehen. Diese objektiven Beschränkungen der gleichberechtigten<br />
Teilhabe aller am Entscheidungs findungs prozess kann nur unvollständig durch<br />
verstärkte elektronische Kommuni kation ausgeglichen werden – zumal in wirtschaftlich<br />
härter werdenden Zeiten ein Internetzugang tendenziell zum Luxusgut<br />
wird. Undenkbar für unseren Anspruch ist aber auch, die Teilhabe am Parteileben<br />
und den Parteientscheidungen vom Geldbeutel bzw. der Verfügbarkeit moderner<br />
Kommu nikationstechnik abhängig zu machen.<br />
Getreu der Maxime, dass in jedem Ding mehrere sich widerstreitende Tendenzen<br />
angelegt sind und es darauf ankommt, die befreienden Elemente jeweils zu<br />
stärken, sind Anspruch und Notwendigkeit des organisationalen Lernens unserer<br />
Partei entscheidend für die Entwicklung einer systemverändernden Alltagspolitik.<br />
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