Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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nicht geben wird), haben die Menschen mehr Ansprüche an uns, als dass wir ihr<br />
Vertrauen und ihre Probleme als Mittel für unseren sozialistischen End-Zweck behandeln.<br />
Ich sage: Sozialistische Politik misst sich auch daran, das Vertrauen und den<br />
Auftrag dieser Menschen an die sogenannte Tagespolitik zu rechtfertigen. Nur<br />
dann kann, nur dann wird die noch im Entstehen begriffene neue LINKE sich dauerhaft<br />
im Parteienspektrum verankern und tatsächlich wirksam für ihre Ziele eintreten<br />
können.<br />
Allerdings – auch für eine Parlamentsfraktion gilt: Das ist mehr als parlamentarische<br />
Kritik und Kontrolle des Regierungshandelns – und Perspektiven werden<br />
auch nicht mit noch so klugen Anträgen eröffnet, deren Ablehnung im Parlament<br />
gewiss ist und die dann bloß für die nächste Legislaturperiode abgeheftet werden.<br />
Die Dimension des gesellschaftlichen Auftrags an DIE LINKE ist klar zu erkennen<br />
– in den Wahlkämpfen der letzten Jahre, in den sich verändernden politischen<br />
Auseinandersetzungen, in den neuen Prioritäten der öffentlichen Debatten,<br />
den defensiven Reaktionen der politischen Konkurrenz und natürlich vor allem im<br />
direkten Kontakt, im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Die Zeiten, in<br />
denen »unpopuläre Forderungen« populär und ein Zeichen politischer Stärke waren,<br />
solange sie nur nicht mich, sondern Menschen außerhalb meines Gesichtskreises<br />
betrafen, sind vorüber. Soziale Gerechtigkeit und Verantwortung vor dem<br />
Gemein wesen sind in das Zentrum der Debatten gerückt. Der Abbau sozialer Standards<br />
hat keine Konjunktur mehr – ihre Bewahrung und produktive Neudefinition<br />
sind das Anliegen von immer mehr Bürgerinnen und Bürgern.<br />
Diese Richtung politisch zu wahren und wirksam zur Geltung zu bringen – das<br />
ist die entscheidende Aufgabe der LINKEN.<br />
Alle Veränderung beginnt mit dem Protest und dem anhaltenden Widerstand<br />
gegen das, was verändert werden soll und muss. Eine Partei, die verändern will,<br />
muss deswegen auch Teil des Protestes und des Widerstandes sein; sie darf ihn<br />
nicht nur von außen »begleiten« – und sie muss ihn konsequent und verantwortungsbewusst<br />
in die politische Sphäre übertragen. Wir haben das in Brandenburg im<br />
Herbst 2004 erlebt und getan – als wir in Verantwortung vor den Hartz-IV-Protesten<br />
nach reiflicher Prüfung die Sondierungsgespräche für eine rot-rote Regierung<br />
in Brandenburg abgebrochen haben, weil damals der Preis für ein Bündnis<br />
mit der SPD der Verrat am Protest gewesen wäre.<br />
Den mehrheitlichen Anspruch der Wählerinnen und Wähler auf eine künftige<br />
Politik sozialer Gerechtigkeit politisch zu wahren und wirksam zur Geltung zu<br />
bringen – das ist aber auch mehr als Protest –; es verlangt die Fähigkeit, die Anliegen<br />
und Triebkräfte des Protestes in realisierbare politische Projekte umzusetzen.<br />
Das heißt: auch Regierungsverantwortung zu übernehmen, übernehmen zu wollen.<br />
Dies freilich muss man vorbereiten: politisch-inhaltlich und nicht minder politisch-mental<br />
– in den eigenen Reihen wie in der Gesellschaft insgesamt.<br />
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