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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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Fortschritt in der Freiheit wie in der Gleichheit. wie Ernst Bloch formulierte:<br />

»Keine wirkliche Installierung der Menschenrechte ohne Ende der Ausbeutung.<br />

kein wirkliches Ende der Ausbeutung ohne Installierung der Menschenrechte.« 5<br />

Der in den Macht- und Eigentumsverhältnissen, in der Produktions- und Lebensweise<br />

begründete Antagonismus der Freiheit der einen durch Ausbeutung der Anderen<br />

wäre in solidarische Formen zu transfomieren, bei denen die freie Entwicklung<br />

der einzelnen zur Bedingung der freien Entwicklung aller wird (so unisono<br />

Karl Marx und John Stuart Mill). Für Ferdinand Lassalle war es die sittliche Idee<br />

des Arbeiterstandes, »dass die ungehinderte freie Betätigung der individuellen<br />

Kräfte durch die Individuen für sich allein noch nicht ausreiche, sondern dass zu<br />

ihr in einem sittlich geordneten Gemeinwesen noch hinzutreten müsse: die Solidarität<br />

der Interessen, die Gemeinsamkeit und Gegenseitigkeit in der Entwicklung« 6.<br />

Auf das Ziel eines Systemwechsels kann linke Politik nicht ohne Zerstörung ihrer<br />

innersten Substanz verzichten. Die moderate Linke hört deshalb auf, links zu sein,<br />

verliert ihren Kompass.<br />

Dieser große gemeinsame Nenner wird aber aus einer Position der strukturellen<br />

Schwäche formuliert, in der die dominanten gesellschaftlichen Tendenzen systembedingt<br />

das Kapital gegenüber der Arbeit, das Vermögen gegenüber der Leistung,<br />

das Private gegenüber dem Öffentlichen, die Wirtschaft gegenüber der Politik, den<br />

Luxus gegenüber der Armut, die Vergangenheit gegenüber der Zukunft, die militärische<br />

Intervention gegenüber dem Frieden, der aus gemeinsamer Entwicklung erwächst,<br />

privilegieren. Gegentendenzen können zur Geltung gebracht werden, aber<br />

solange die wirtschaftlichen Verhältnisse der Dominanz der Kapitalverwertung<br />

unterworfen sind, agiert die Linke aus der Schwäche heraus. Geht sie in die Regierung,<br />

ergreift sie nicht die Macht. Die Abhängigkeit des Staates von den Steuern<br />

und der Lohnabhängigen vom Arbeitsplatzangebot einer wettbewerbsfähigen kapitaldominierten<br />

Wirtschaft erzeugt eine machtvolle Wirkung der »Disziplinierung«<br />

auch linker Politik, sprich: Unterordnung unter die Profitdominanz. 7 Eine<br />

Politik des kleineren Übels, wie sie in der Beteiligung an links beeinflussten Mitte-<br />

Regierungen deutlich wird, scheint die einzig praktische Möglichkeit und definiert<br />

die einlösbaren Versprechen. Unter den Bedingungen des Finanzmarkt-Kapitalismus<br />

8 sind damit aber immer weitere Verschlechterungen der Lage der abhängig<br />

5 Ernst Bloch: Naturrecht und menschliche Würde. Frankfurt am Main 1999, S. 13.<br />

6 Die Wissenschaft und die Arbeiter. Eine Verteidigungsrede vor dem Berliner Kriminalgericht gegen die Anklage,<br />

die besitzlosen Klassen zum Hass und zur Verachtung gegen die Besitzenden öffentlich angereizt zu haben. Von<br />

Ferdinand Lassalle. In: http://de.geocities.com/veblenite/txt/wiss_arb.htm.<br />

7 Dazu lange vor der Hohen Zeit des entfesselten Finanzmarkt-Kapitalismus: Claus Offe: Strukturprobleme des<br />

kapitalistischen Staates. Aufsätze zur politischen Soziologie. Frankfurt am Main 1973.<br />

8 Vgl. zu diesem Typ von Kapitalismus u. a.: Michel Aglietta: Ein neues Akkumulationsregime: Die Regulationstheorie<br />

auf dem Prüfstand. Hamburg: VSA 2000; Joachim Bischoff: Zukunft des Finanzmarkt-Kapitalismus.<br />

Strukturen, Widersprüche, Alternativen. Hamburg: VSA-Verlag 2006; Paul Windolf: Was ist Finanzmarktkapitalismus?<br />

In: P. Windolf (Hrsg.): Finanzmarkt-Kapitalismus. Sonderheft 45/2005 der Kölner Zeitschrift für Soziologie<br />

und Sozialpsychologie. Wiesbaden: VS Verlag, S. 20-57; Michael Brie: Die Linke – was kann sie wollen. Politik<br />

unter den Bedingungen des Finanzmarkt-Kapitalismus. Supplement zur Zeitschrift Sozialismus, Heft<br />

3/2006.<br />

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