Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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der Wind aus den Segeln genommen werden, die denunzierend meinen, DIE<br />
LINKE fühle sich nur für die Verteilung zuständig und pflege das Image einer<br />
Umverteilungspartei.<br />
Beim Nachdenken über Alternativen zum real existierenden Kapitalismus, über<br />
alternative ökonomische Ziele und Strukturen gilt es zum einen der Gefahr zu entgehen,<br />
1:1-Anleihen am Realsozialismus zu nehmen. Zum anderen aber darf das<br />
Gescheitertsein des Realsozialismus das Suchen von Alternativen nicht einschüchtern.<br />
Folgende Aspekte sind mir bei einem gesellschaftlichen Gegenentwurf besonders<br />
wichtig:<br />
a) Zentraler Bezugspunkt wirtschaftlicher Tätigkeit ist der Mensch und nicht die<br />
Profiterzielung. Mit diesem Anspruch an das Wirtschaften hat DIE LINKE Verfassungsgrundsätze<br />
auf ihrer Seite, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst fixiert<br />
wurden, und sie muss diese offensiv einfordern. »Eigentum verpflichtet. Sein<br />
Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen«, heißt es in Artikel<br />
14 des Grundgesetzes. Die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen gibt in Artikel<br />
24 vor: »Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen.<br />
Der Schutz seiner Arbeitskraft hat Vorrang vor materiellem Besitz.« Die Hessische<br />
Landesverfassung formuliert folgenden Besteuerungsgrundsatz: »Vermögen und<br />
Einkommen werden progressiv nach sozialen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung<br />
der familiären Lasten besteuert.« Und die Bayrische Verfassung gebietet,<br />
dass »arbeitsloses Einkommen ... mit Sondersteuern belegt wird« und dass die<br />
Erbschaftssteuer »dem Zweck dient, die Ansammlung von Riesenvermögen in den<br />
Händen einzelner zu verhindern«. Nicht der homo oeconomicus, der nur auf seinen<br />
persönlichen Vorteil, auf Maximierung des Eigennutzes bedacht ist, prägt in<br />
einem gesellschaftlichen Gegenentwurf das Menschenbild, sondern ein Individuum,<br />
für das humanistische Werte gelten: Freiheit und Selbstbestimmung, Eigenverantwortung<br />
und Leistungsbereitschaft ebenso wie Solidarität und Gemeinsinn,<br />
ohne etwa auf Askese und Verzicht verengt zu werden. Vielleicht passt darauf der<br />
»Homo oeconomicus humanus«, ein Begriff, den ich erstmals bei Uwe Jean Heuser<br />
gefunden habe. 11 Heuser schreibt: »Dem homo oeconomicus müssten sie nur<br />
mehr Geld in Aussicht stellen, als er mindestens erwartet. Dem homo oeconomicus<br />
humanus müssen sie zudem ein System offerieren, das bestimmte Regeln der<br />
Gerechtigkeit nicht verletzt. Dann aber bringt er die Gemeinschaft von sich aus<br />
voran.« 12 Ein solches Menschenbild hat freilich nur eine Chance, wenn die Kapitaldominanz<br />
zurückgedrängt und schließlich überwunden wird.<br />
b) Die Kapitaldominanz zurück zudrängen heißt, die Eigentums- und die Machtfrage<br />
zu stellen. Allein diese Formulierung lässt manche erschauern, weil sie darin<br />
eine Ewiggestrigkeit vermuten. Darum aber geht es nicht. Die Eigentumsfrage als<br />
eine Grundfrage linker, sozialistischer Bewegung ist vor allem eine Frage der re-<br />
11 Uwe Jean Heuser: Humanomics. Die Entdeckung des Menschen in der Wirtschaft. Frankfurt am Main 2008.<br />
12 A. a.. O., S. 57.<br />
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