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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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eide, im Augenblick einer schweren Krise der damaligen Kapitalismusformation,<br />

zu tun verpasst haben. Dabei geht es nicht um plumpe Wiederholungen: DIE<br />

LINKE ist keine neue Grüne Partei, und die IL ist wirklich »postautonom«.<br />

Die Ähnlichkeit ist dennoch, das ist meine dritte These, nicht zufällig, sondern<br />

hat mit dem Bruch zu tun, der 1968, im bislang letzten weltrevolutionären Ereignis,<br />

manifest wurde. Ohne dialektisch werden zu wollen: Es gab eine Zeit der »Alten<br />

Sozialen Bewegung«, es gab eine solche der »Neuen Sozialen Bewegungen«,<br />

und heute wird nicht umsonst von der Zeit einer »Bewegung der Bewegungen«<br />

gesprochen. Die bildet sich autonom im Prozess der Bewegungen selbst, und tut<br />

das doch nur, wenn das auch ausdrücklich kommuniziert, also artikuliert und derart<br />

politisiert wird. Das aber haben sich, je auf ihre Weise, DIE LINKE und die IL<br />

strategisch zum Ziel genommen: zumindest relevante Teile beider.<br />

Die alles entscheidende Frage nach den Chancen eines so verstandenen gemeinsamen<br />

Projekts sieht sich deshalb aber selbst wieder auf die Geschichte verwiesen,<br />

im für uns nächstliegenden Fall auf die der hier schon erwähnten Partito della Rifondazione<br />

Comunista und der ihr zeitgleichen, in manchen Zügen der IL verwandten<br />

Formation der italienischen autonomia. 9<br />

Nach den Anti-G8-Demonstrationen von Genua (2001) und dem Europäischen<br />

Sozialforum von Florenz (2002) sah es für einen Moment so aus, als würden die<br />

hier entworfenen Möglichkeiten tatsächlich und gesellschaftlich relevant erprobt.<br />

Zwängen ihres Projekts einer Wahl- und Bewegungspartei und also ihrer Beteiligung<br />

am Staat folgend, ließ die PRC ihre Chance aus und verspielte so ihren Part<br />

in der Mobilisierung des Gemeinsamen. Die radikale Linke fand darauf bisher<br />

keine tragende Antwort, sondern zog sich in die Subkultur ihrer centri sociali zurück.<br />

2008 gewann die Rechtskoalition Silvio Berlusconis triumphal die Wahlen,<br />

die PRC verlor ihre Sitze im Parlament.<br />

Der Wahlsieger vom April 2009 ist heute, im Durchbruch des Krise des globalen<br />

Kapitalismus, ebenso sehr Verlierer wie seine damals unterlegenen Gegner.<br />

Können die, können wir jetzt das Blatt wenden? In der Gefahr, Fragen zu formulieren,<br />

die leicht zu überholten, verfehlten werden können, bleibt zuerst festzuhalten,<br />

das zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Option einer zugleich radikalen und<br />

realpolitischen Umwälzung der ideologischen Herrschaftsverhältnisse besteht –<br />

und nicht nur der ideologischen. Wird diese Chance ergriffen? Wie kann sie ergriffen<br />

werden? Schließt das nicht ein, jetzt ein Projekt auszuarbeiten, dass die auf<br />

500 Milliarden Euro angesetzte Alimentierung des Kapitals in eine materielle Garantie<br />

der sozialen Infrastruktur umkehrt, einschließlich eines bedingungslosen individuellen<br />

Existenzgelds? Schließt die Ausarbeitung eines solchen Projekts nicht<br />

ein, es realpolitisch anzugehen, also auch in Anerkennung macht-, d. h. koalitionspolitisch<br />

vielleicht nicht abzuwendender Kompromisse? Stehen dafür nicht ver-<br />

9 Prinzipiell wäre ebenso sehr von der brasilianischen PT oder der indischen PCI/ML zu reden; interessant wird<br />

sein, wie die LCR in Frankreich ihre aktuelle Transformation voranbringt.<br />

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