Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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entsprechender Finanzausstattung vor allem der Kommunen. In strategischen<br />
Fragen der Industrie-, Energie- und Umweltpolitik ist allerdings aktives Eingreifen<br />
des Staates notwendiger denn je. Wozu ordnungspolitische Grabestreue<br />
führt, sehen wir gerade gegenwärtig deutlich an den sozialen Folgen der überbordenden<br />
Öl-, Gas- und Strompreise und der sich machtlos gebenden Bundesregierung.<br />
• Linke stellen sich selbst ein Bein, wenn sie den Staat im Realkapitalismus darauf<br />
reduzieren, »Machtinstrument der herrschenden Klasse« zu sein. Das<br />
würde im Grunde bedeuten, dass die Teilnahme linker, kapitalismuskritischer<br />
Kräfte an Regierungen einseitig systemstabilisierend wirkt und keinerlei sozialen<br />
Fortschritt bringen kann. Allerdings darf DIE LINKE sich nicht auf die<br />
Nutzung der (wenigen) Gestaltungsmöglichkeiten beschränken, die ihr im vorherrschenden<br />
politischen System gewährt werden. Sie muss sich ohne Umschweife<br />
und politisches Taktieren den Alltagssorgen der Menschen stellen und<br />
gleichzeitig keinen Zweifel an ihrem Langfristziel, der Systemveränderung und<br />
schließlichen Systemüberwindung, lassen.<br />
• DIE LINKE ist gut beraten, den Einfluss oppositioneller und außerparlamentarischer<br />
Kräfte auf den Staat zu thematisieren und wirksame praktische Formen<br />
dafür zu finden. Ebenso ist die Suche nach neuen demokratischen und emanzipatorischen<br />
Formen zur Verwirklichung von Gemeinwohlinteressen zu intensivieren.<br />
Fragen nach einer Alternative zum real existierenden, zum finanzmarktgetriebenen<br />
Kapitalismus drängen wieder auf die Tagesordnung. Der Kapitalismus ist nicht<br />
das letzte Wort der Geschichte. In seiner Maßlosigkeit hat er nach seinem vermeintlichen<br />
Sieg keine Anstalten gemacht, die Welt positiv zu entwickeln. Er hat<br />
ihr vielmehr eine Ordnung oktroyiert, die er in seinen Stammlanden nicht zu praktizieren<br />
wagte. Wo die Welt störrisch war, hat er sie mit Krieg überzogen und wundert<br />
sich, dass eine der Antworten auf seine imperiale Anmaßung der Terror ist. 15<br />
Die Systemdebatte kehrt also in neuer Form zurück, auch wenn die Entwicklungspotenzen<br />
des Kapitalismus noch nicht erschöpft sind. Aber er produziert und reproduziert<br />
national und global fortwährend unlösbare Widersprüche. Dennoch<br />
wäre es falsch, auf seinen automatischen Zusammenbruch zu hoffen. Der Kapitalismus<br />
wird zwar noch lange real die Geschicke großer Teile der Welt bestimmen,<br />
aber die kulturelle Hegemonie hat er bereits eingebüßt. Auffassungen wie: »Man<br />
kann ja doch nichts verändern«, »Die da oben machen sowieso mit uns, was sie<br />
wollen« oder »Egal, wer regiert, es macht keinen Unterschied«, sind Ausdruck von<br />
Resignation und Schicksalsergebenheit. Mit solchen Haltungen wird jedweder politische<br />
Widerspruch entwertet und ungewollt die Sachzwanglogik der herrschenden<br />
Politik unterstützt.<br />
15 Josef Reindl: Wird das Saarland kommunistisch? In: Freitag vom 25. 01. 2008.<br />
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