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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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ab. 5 Insofern kann er <strong>Luxemburg</strong>s Kritik gar nicht verstehen, da er, nicht <strong>Luxemburg</strong>,<br />

den »Zusammenbruch des Kapitalismus« nur mechanistisch, als Katastrophe<br />

im banalen Sinne, deuten kann. 6<br />

Ausdruck dieser Weltsichten wird, völlig unabhängig von den persönlichen Intentionen<br />

Bernsteins, die Dominanz der parlamentarischen Arbeit und die Verbürokratisierung<br />

der Partei, die Dominanz der Führungen (von Sozialdemokratie und<br />

Gewerkschaften) gegenüber den Massen. <strong>Luxemburg</strong> wird dies in späteren Arbeiten<br />

fundierter kritisieren. Sie konstatiert an dieser Stelle aber bereits folgerichtig,<br />

dass der Widerspruch zu Bernstein nicht im WAS der Parteitätigkeit, sondern im<br />

WIE liege. 7<br />

<strong>Luxemburg</strong> fasste diese Frage des WIE vor allem als beständige Vergegenwärtigung<br />

des WARUM (insofern eben eines Zieles) im Prozess der gesellschaftlichen<br />

Auseinandersetzungen selbst sowie als beständige Kritik (damit notwendig Selbstkritik)<br />

des im Klassenkampf auf den verschiedenen (darunter auch reformerischen)<br />

Wegen Erreichten. 1911 schreibt sie: »Jeder Schritt vorwärts im Emanzipationskampfe<br />

der Arbeiterklasse muss zugleich eine wachsende geistige Verselbständigung<br />

ihrer Masse, ihre wachsende Selbstbetätigung, Selbstbestimmung und Initiative<br />

bedeuten.« 8<br />

Vergegenwärtigung ist für sie so nicht einfach ein Bewusstseinsakt, eine ideologische<br />

Floskel. Folgt man ihrem Gedankengang, so kann das Ziel tatsächlich nur im<br />

WIE des Handelns gegenwärtig sein, da das WAS ja immer in das gegebene System<br />

eingebunden ist, aus den gegebenen Verhältnissen sich herleitet. Unter dem Gesichtspunkt<br />

des politischen Prozesses ist maßgeblich, dass die erkämpften Ergebnisse, die<br />

erreichten Verbesserungen der Lebenslage, politischer Rechte etc., neue Bedürfnisse,<br />

neue Einsichten, neue Ansprüche, neue Interessen bei den handelnden Subjekten wie<br />

auch bei den abseits stehenden Subjekten produziert. Sie alle müssen sich entsprechend<br />

den neugeschaffenen Bedingungen verhalten und setzen in diesem neuen<br />

Handeln alte Widersprüche neu oder eben auch neue Widersprüche. Diese Neusetzung<br />

der Widersprüche ist das, was Entwicklung vorantreibt. Wie diese Widersprüche<br />

neu gesetzt werden, was die nächsten Forderungen und Auseinandersetzungen<br />

sein werden, hängt aber eben davon ab, WIE die neuen Bedingungen zustande gekommen<br />

sind. Wiederum zugespitzt: Nur im WIE kann Sozialismus auch unter kapitalistischen<br />

Bedingungen gelebt werden – nicht im WAS. Eine in einer kapitalis-<br />

5 Vgl. Eduard Bernstein, a. a. O. S. 98, auch S. 109 ff. Mit diesen Auffassungen Bernsteins setzte sich damals auf<br />

immer noch lesenswerte Art und Weise Plechanow auseinander. Vgl. Plechanow, Georgi: Cant wider Kant oder<br />

das geistige Vermächtnis des Herrn Bernstein. In: ders.: Eine Kritik unserer Kritiker. Schriften aus den Jahren<br />

1898 bis 1911. Berlin 1982, S. 76 ff.<br />

6 Auch wenn <strong>Luxemburg</strong> nicht frei ist vom Gedanken eines plötzlichen großen Zusammenbruchs als Elementarereignis<br />

(dies zeigt sich z. T. in ihren ökonomischen Schriften) ist dies nicht Kern ihres Entwicklungsverständnisses.<br />

Die Kritik an ihrer »Zusammenbruchstheorie« und deren moderne Rezeption folgt offensichtlich weniger ihrem<br />

Werk als der Bernsteinschen Interpretation.<br />

7 Vgl. <strong>Luxemburg</strong>, a. a. O., Bd.1/1, S. 400.<br />

8 <strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong>: Wieder Masse und Führer. In: RLW, Bd.3, S.38.<br />

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