Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
volle Verwirklichung des Menschseins sind. Dies ermöglicht zugleich, die Bereiche<br />
nicht gegeneinander auszuspielen, keinen für sich zu lösen, sondern solche<br />
Ein-Bereichs-Politik selbst als reaktionär und dumm zu begreifen. Es geht um ein<br />
anderes Zeitregime, gegen bloße Stellvertreterpolitik, eine andere Arbeitsteilung<br />
im Großen, also um eine andere Auffassung von Gerechtigkeit, um eine rigorose<br />
Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit. Da es Perspektive ist, die politisches Handeln<br />
bestimmt, ist es nicht von heute auf morgen durchsetzbar. Aber sicher ist, dass die<br />
Bereiche als ineinander verschränkt, also nur zusammen behandelt werden können,<br />
was davor bewahren kann, einfach in die Falle von Einpunkt- oder Einbereichslösungen<br />
zu tappen. Auch hier gilt: Die Kunst der Politik besteht in der Verknüpfung.<br />
In dieser Vier-in-einem-Perspektive tauchen die Frauen anders auf als bislang –<br />
diesmal an Schlüsselstellen. Die Perspektive kann derzeit vom Frauenstandpunkt<br />
gesprochen werden, weil sie es sind, die den Reproduktionsbereich, also den Standpunkt<br />
des Lebens so wichtig nehmen, dass sie ihn nicht vergessen können bei der<br />
Planung des Lebens; sie sind es zugleich, die den Erwerbsarbeitsbereich nicht so<br />
wichtig nehmen, dass sie ihn allein für das Zentrum halten können; es ist dringlich,<br />
dass sie mit der Selbstaufopferung aufhören und ihre eigene Entfaltung in<br />
eig ne Hände nehmen; sie müssen sich in die Politik einmischen, weil sie für die<br />
Ge stal tung ihres und anderer Leben den ›Staat von oben nach unten umkehren‹<br />
müs sen – wie Brecht dies ausdrückte.<br />
Schluss-Exkurs: einige aktuelle politische Fragen zur Diskussion<br />
Ich wage zum Abschluss, einige aktuelle Beispiele aus der Politik der Partei DIE<br />
LINKE in diesem Rahmen noch einmal zu problematisieren. Kopfschmerzen bereiten<br />
mir u. a. die »Kampagnen«. Ich schreibe das Wort in Anführungszeichen,<br />
weil mir schon der Begriff Kampagne fragwürdig ist, für das, was gemeint zu sein<br />
scheint. Zu »Kampagne« schrieb ich an anderer Stelle 6:<br />
»Die organisierte Bündelung von Ressourcen für einen begrenzten Zeitraum<br />
mit einem klar definierten Ziel lässt sich als Kampagne bezeichnen. Die mit der<br />
Fokussierung erstrebte und zumeist erreichte höhere Wirksamkeit gegenüber dem<br />
gewohnten Ablauf macht eine solche Form der Anspannung der kollektiven Kräfte<br />
zum Instrument im politischen Kampf. Kampagnen arbeiten mit dem Risiko des<br />
erhöhten Verschleißes. Sie können mit dem größeren motivierten Einsatz (Mobilisierung)<br />
von Menschen rechnen, soweit das definierte Ziel mit erstrebtem Sinn<br />
zusammenfällt. Die Kampagnen sind wegen der erforderlichen Zustimmung der<br />
betroffenen Subjekte hegemonietheoretisch interessant und damit zugleich auf<br />
6 »Kampagne«, in: Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Band 7/1, 2008; vgl. auch Utopie kreativ 211,<br />
Mai 2008, S. 399-407.<br />
23