Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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sche Formulierung, dass es auch darum geht, die Elemente der neuen Gesellschaft<br />
in der alten zu entdecken.<br />
»Dank diesem Leitfaden ist es der Arbeiterklasse zum ersten Mal gelungen, die<br />
große Idee des sozialistischen Endziels in die Scheidemünze der Tagespolitik umzuwechseln<br />
und die politische Kleinarbeit des Alltages zum ausführenden Werkzeug<br />
der großen Idee zu erheben.«<br />
Sie fasst in knappen Worten die Dialektik von Nah- und Fernziel zusammen,<br />
gibt als Kompass für die alltägliche Praxis deren Orientierung an der »Kritik der<br />
politischen Ökonomie« an.<br />
»Es gab vor Marx eine von Arbeitern geführte bürgerliche Politik, und es gab<br />
revolutionären Sozialismus. Es gibt erst seit Marx und durch Marx sozialistische<br />
Arbeiterpolitik, die zugleich und im vollsten Sinne beider Worte revolutionäre<br />
Real politik ist.«<br />
Während das erste Zitat sich vermutlich auf Lassalle und seine sozialreformerischen<br />
Versuche bezieht und das zweite wiederum auf die utopischen Sozialisten<br />
vor Marx, zieht sie im Schlusssatz die Worte zusammen und gibt ihnen in der Gestalt<br />
von Marx, seinem Denken und Wirken die bemerkenswerte Verdichtung, die<br />
ohne Zweifel lässt, dass es sich im Gemeinten um <strong>Realpolitik</strong> handeln, und dass<br />
sie zugleich revolutionär sein muss »im vollsten Sinn« auch dieses Wortes.<br />
Sie erläutert im Folgenden die beiden Posten, die, jeweils abgelöst vom anderen,<br />
ihre Bedeutung wechseln müssen:<br />
»Wenn wir nämlich als <strong>Realpolitik</strong> eine Politik erkennen, die sich nur erreichbare<br />
Ziele steckt und sie mit wirksamsten Mitteln auf dem kürzesten Wege zu verfolgen<br />
weiß, so unterscheidet sich die proletarische Klassenpolitik im Marxschen<br />
Geiste darin von der bürgerlichen Politik, dass die bürgerliche Politik vom Standpunkte<br />
der materiellen Tageserfolge real, während die sozialistische Politik es vom<br />
Standpunkte der geschichtlichen Entwicklungstendenz ist.«<br />
Als <strong>Realpolitik</strong> allein bezeichnet sie im Grunde alle bürgerliche Politik, die so<br />
gekennzeichnet ist durch klare Zielsetzung – sie müssen erreichbar sein – und<br />
Weg-, Zeit- und Mittelbestimmung. Dies zieht die Frage des »Realen« auf den<br />
Standpunkt der Tageserfolge zurück, eine Bestimmung, die wir am ehesten als<br />
»realistisch« bezeichnen würden; »sozialistische Politik« dagegen, die sie auch<br />
»proletarische Klassenpolitik im Marxschen Geiste« nennt, geschieht von einem<br />
anderen Standpunkt aus. Revolutionäre <strong>Realpolitik</strong> muss demnach entwickelt werden<br />
vom Standpunkt in sozialistischer Perspektive, weil diese in »der geschichtlichen<br />
Entwicklungstendenz« ausmachbar und wissenschaftlich begründbar ist.<br />
Sie folgt in dieser Bestimmung genau Marx. 1<br />
»Es ist genau derselbe Unterscheid wie zwischen einer vulgärökonomischen<br />
Werttheorie, die den Wert als eine dingliche Erscheinung vom Standpunkte des<br />
1 Vgl. dazu den Habilitationsvortrag von Wolfgang Fritz Haug (1972): Die Bedeutung von Standpunkt und sozialistischer<br />
Perspektive für die Kritik der politischen Ökonomie. Wieder abgedruckt in: Ders.: Neue »Vorlesungen<br />
zur Einführung ins ›Kapital‹«. Hamburg 2006, S. 235-259.<br />
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