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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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Manche Linke sehen im Engagement für alternative Reformen eine bloße Reparatur<br />

am Kapitalismus und lehnen das entschieden ab. Ich halte auch diese Position<br />

für falsch, weil ein »Alles oder Nichts« im praktischen politischen Leben keine<br />

brauchbare Option ist und von Armut und Unsicherheit bedrängten Menschen<br />

nicht hilft. Um dem Fatalismus entgegenzuwirken, macht es Sinn, auf die Reformierbarkeit<br />

des Kapitalismus hinzuweisen. Ein historischer Beleg dafür ist die Herausbildung<br />

der sozialen Marktwirtschaft in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg,<br />

wenn man so will, eines dritten Weges. Freilich gab es dafür mit kämpferischen<br />

Gewerkschaften starke innere Triebkräfte. Und ein alternatives Gesellschaftssystem<br />

erwies sich als äußeres Korrektiv.<br />

Ein solches äußeres Korrektiv ist noch nicht in Sicht. Was aus der Entwicklung<br />

in China wird, lässt sich schwer voraussagen. Das trifft auch auf die neuen sozialen<br />

Bewegungen in Lateinamerika zu. Daher helfen mittelfristig gegen die Allmacht<br />

des Kapitals nur eine breite zivilgesellschaftliche Widerstandsbewegung,<br />

Massenbewegungen, getragen von Betriebsbelegschaften und Gewerkschaften,<br />

von Attac, Jugend- und Frauenorganisationen, Greenpeace, Friedensgruppen und<br />

christlichen Kreisen. An Bedeutung gewinnt das Europäische Sozialforum, das einen<br />

wichtigen Beitrag leistet, eine politische Öffentlichkeit auf dem Kontinent zu<br />

schaffen. Zu den Gegenkräften gehören die europäischen Linksparteien sowie<br />

Minderheitsströmungen bei den Grünen und der Sozialdemokratie.<br />

Die Bündelung des Widerstandes gegen den Sozialstaatsabbau und die Aushöhlung<br />

der Demokratie schafft Gemeinsamkeit und strahlt auf jene aus, die immer<br />

noch glauben, es gäbe keine Alternativen. »Der Kapitalismus verschwindet nicht<br />

von einem Tag auf den anderen wie der real existierende Sozialismus im Verlauf<br />

der ›samtenen‹ Revolution, aber er wird ein anderer Kapitalismus werden als der,<br />

den wir kennen«, sagt Elmar Altvater voraus. 16<br />

Menschen sind nicht machtlos. Das hat der öffentliche Protest gegen die Bolckesteinsche<br />

Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Kommission gezeigt, mit der<br />

der Service-Bereich komplett für europaweiten Lohndumping-Wettbewerb geöffnet<br />

werden sollte. Der Protest war so unüberhörbar, dass auch Regierungen sich<br />

ihm nicht entziehen konnten und den Entwurf schließlich zur Überarbeitung an die<br />

Kommission zurückweisen mussten. Das französische »Nein« beim Referendum<br />

über die EU-Verfassung im Jahre 2005 verdeutlichte eindrucksvoll, dass Erfolge<br />

gegen neoliberale Politik selbst dann errungen werden können, wenn ein Land von<br />

einer erdrückenden konservativen Mehrheit regiert wird. In Irland, dem einzigen<br />

EU-Land, in dem das Volk um seine Meinung zum Lissabon-Vertrag gefragt<br />

wurde, führte die Furcht vor negativen sozialen Folgen 2008 zu einem Ratifizierungsstopp.<br />

16 Elmar Altvater: Das Ende des Kapitalismus. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 2/2006, S.<br />

182.<br />

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