Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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an die Investoren seines Fonds »Berkshire Hathaway« 2003 sagen konnte: »Wenn<br />
in Amerika Klassenkampf geführt wird, gewinnt meine Klasse deutlich.«<br />
Das marktliberal-autoritäre Bündnis des sozial verankerten Konservatismus<br />
Im Gefolge der neoliberalen Politik des Bündnisses der Bessergestellten kommt es<br />
zu einer tiefen Entfremdung der lohnabhängigen und unteren gesellschaftlichen<br />
Gruppen von der Demokratie, die als Klassenkampf der Herrschenden und Reichen<br />
verstanden wird. Das Vertrauen in die demokratischen Institutionen geht verloren,<br />
die Bindung an Parteien, die sich ja mehrheitlich in eine solche Politik einspannen<br />
ließen, sinkt drastisch. Nationalismus und Rassismus nehmen zu. Teile<br />
der unteren Gruppen entwickeln aggressive ethnozentristische Verteidigungsstrategien,<br />
für die sie eine nationale Gemeinschaft mit den herrschenden Klassen neu<br />
schaffen wollen.<br />
Die Zeichen einer Krise der gesellschaftlichen Reproduktion (Umwelt, Bildung,<br />
Kultur), der sozialen Integration, der demokratischen Legitimation und der Sicherheit<br />
nach innen und außen häufen sich. Vier mögliche Szenarien zeichnen sich ab:<br />
In der jetzigen Krise können neokonservative und auch neosozialdemokratische<br />
Versuche stärker werden, mit den jeweiligen Mitteln die Probleme zu bewältigen.<br />
Zugleich steigen die Gefahren eines entzivilisierten Kapitalismus, wie er in den<br />
Kriegen gegen den Irak, in Guantanamo schon geprobt wird. Und es steigen die<br />
Chancen für einen wirklichen Richtungswechsel.<br />
Die Privatisierung und Flexibilisierung stößt auf immer stärkeren Widerstand.<br />
Die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften hat ein Ende gefunden. Die jetzt<br />
schon ein Jahr anhaltende Krise auf den globalen Finanz- und Hypothekenmärkten<br />
macht klar: Der Staat muss zurück als »lender of last resort« (jene, die bei Liquiditätskrisen<br />
als Letzte einspringen). Nur er kann noch Sicherheit herstellen. Banken<br />
werden plötzlich verstaatlicht, Spekulationen verboten und der Finanzmarkt soll<br />
reguliert werden.<br />
Vor diesem Hintergrund machte der Parteienwettbewerb eine Koalition der Eliten<br />
und Besserverdienenden fragil. Die Konservativen setzten seit 1998 zunehmend<br />
darauf, Arbeiter als Wähler zu gewinnen, und machten den Sozialdemokratien<br />
in ihrer Kernklientel Konkurrenz, nicht nur in Deutschland, sondern auch in<br />
Frankreich oder Italien. Wie Henry Guiano, Berater und Spin-Doktor von Sarkozy<br />
formulierte: »Die unteren Schichten sind ein strategisches Ziel. Diese Welt ist Ségolène<br />
Royal fremd. Diese Bevölkerung fühlt sich vielleicht von der Politik verraten,<br />
hat aber keinen anderen Ausweg als die Politik.« 22<br />
Bewusst wählt Sarkozy die Sprache der kleinen Leute. So sehr er selbst sich in<br />
der Welt der Großen sonnt, will er doch einer sein, der wie ein Vater für sein Volk<br />
sorgt: »Ich bin hierher gekommen, weil hier Frankreich ist… Das Frankreich, das<br />
22 Zitiert in: Elisabeth Gauthier, a. a. O., S. 25.<br />
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