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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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und in dem die politischen und gesellschaftlichen Eliten und Gegeneliten Politik<br />

zu machen suchen. Politik, die nach Mehrheiten strebt, ist nicht binär, sondern trinär,<br />

sie kombiniert etwas, das aus drei Bestandteilen gefügt ist. Mehrheiten sind<br />

nicht da, nicht vorgefunden, nicht einfach gegeben. Sie werden geschmiedet, erzeugt,<br />

herbeigeführt.<br />

Fast alles ist möglich in diesem sozio-kulturellen Dreieck der Politik. Mehrheiten<br />

für einen strategischen Wandel führen aber nur die herbei, denen es gelingt,<br />

zwei der widersprüchlichen Pole im Rahmen eines übergreifenden Projekts zusammenzuführen<br />

und zugleich den dritten Pol nicht in ein antagonistisches Verhältnis<br />

bringen, sondern zumindest ruhig zu stellen.<br />

Das Bündnis der Bessergestellten<br />

Nachdem die Rot-Grüne Koalition unter Schröder den linken »Ballast« Oskar Lafontaine<br />

abgeworfen hatte, mit dem gemeinsam Schröder und Fischer gerade noch<br />

die Wahlen von 1998 gewonnen hatten, verkörperte sie genau das Bündnis der<br />

Oberschichten. Sie kappte die Beziehung nach unten, verknüpfte die linksliberalen<br />

gut Qualifizierten der neuen urbanen Milieus mit den neoliberalen Globalisierungseliten<br />

und den Aufsteigern aus den unteren Schichten, die sich diesen Aufstieg<br />

ganz selbst zuschreiben. Das Motto formulierte Gerhard Schröder in einer<br />

Regierungserklärung vom 14. März 2003 so: »Wir werden Leistungen des Staates<br />

kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen<br />

abfordern müssen.« Gemeinsam mit Tony Blair verkündete er in einem »Manifest«,<br />

dass die Sozialdemokratie in der Vergangenheit den »Weg zur sozialen Gerechtigkeit<br />

mit immer höheren öffentlichen Ausgaben gepflastert [habe], ohne<br />

Rücksicht auf Ergebnisse oder die Wirkung der hohen Steuerlast auf Wettbewerbsfähigkeit,<br />

Beschäftigung oder private Ausgaben«. »Werte, die den Bürgern wichtig<br />

sind – wie persönliche Leistung und Erfolg, Unternehmergeist, Eigenverantwortung<br />

und Gemeinsinn« – seien »zu häufig zurückgestellt [worden] hinter universelles<br />

Sicherungsstreben«.<br />

Die Politik der Bundesrepublik wurde im Gefolge vornehmlich auf die Verbesserung<br />

der eigenen Stellung in der finanzmarktgetriebenen Globalisierung ausgerichtet<br />

und die Privatisierung der öffentlichen Sicherungssysteme vorangetrieben.<br />

Das früher berühmte System der lebensstandardsichernden Altersrenten wurde in<br />

kürzester Zeit zerstört. Die »Lohnspreizung«, sprich: Steigerung für die Besserverdienenden<br />

und Stagnation bzw. Senkung bei den anderen, erreichte fast USamerikanische<br />

Maßstäbe. Deutschland hat nun einen Anteil von »working poor«,<br />

von Menschen, die unter der Sozialhilfe bleiben, obwohl sie voll arbeiten, der in<br />

der sogenannten entwickelten Welt nur von den USA übertroffen wird. Die Steuern<br />

auf Vermögen und höhere Einkommen wurden deutlich gesenkt, in hohem<br />

Tempo eine Klasse billiger Dienstleister und Leiharbeiter geschaffen bzw. legalisiert.<br />

Mit Hartz IV wurde der Arbeitnehmermitte die Sicherheit genommen, ihre<br />

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