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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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geboten, wenn etwa politische Parteien in Großbritannien, Frankreich, Italien und<br />

Deutschland als etwas grundsätzlich Gleichartiges unterstellt werden, ohne auf die<br />

tief greifenden Unterschiede in den politischen Systemen einzugehen, die sie als<br />

Parteien prägen. Mehrheitswahlrecht, republikanischer Etatismus, eine Kultur der<br />

politischen Doppelmoral oder der Föderalismus prägen sehr weitgehend die Struktur<br />

und Dynamik von Parteiorganisationen (und – davon auf unterschiedliche<br />

Weise unterschieden – Parlamentariergruppen), die auf ihrer Grundlage »funktionieren«<br />

müssen. Dies gilt etwa für die Beziehungen zu lokalen Gruppen von<br />

Wähler Innen, für die politische Bedeutung der Parteifunktionäre und der Parteiprogrammatik<br />

oder auch für den Grad der Verselbständigung der Inhaber parlamentarischer<br />

Mandate (bzw. zur Art und Weise, wie ihre demokratische Verantwortlichkeit<br />

geltend gemacht wird.<br />

Seit der »Parlamentarisierung« der Regierungsweisen und der Einführung des<br />

»allgemeinen Wahlrechts« wird in ihnen übereinstimmend – wenn auch auf sehr<br />

unterschiedliche Arten und Weisen (etwa mit oder ohne parlamentarische Koalitionen)<br />

– das Problem geregelt, wie auf repräsentativ-demokratischer Grundlage der<br />

Staat »regiert« und die jeweilige Gesellschaft »beherrscht« werden kann. Dies geschieht<br />

niemals auf eine Art und Weise, die ganz allgemein die These rechtfertigen<br />

würde, dass »Opposition Mist« ist: Auch oppositionelle Kräfte haben immer daran<br />

Anteil, wie jeweils die politische Agenda definiert und weiterentwickelt wird – und<br />

sie können unter Umständen sogar wichtigen Einfluss darauf nehmen, wie sich die<br />

als relevant und legitim geltenden Fragestellungen bzw. der Horizont der als akzeptabel<br />

und tragfähig geltenden Antworten verschiebt. Aber dieselbe Dynamik<br />

des institutionalisierten politischen Prozesses macht es auch auf Dauer unmöglich,<br />

als politische Partei an diesem Prozess teilzunehmen, ohne zumindest Optionen<br />

auf eine Regierungsbeteiligung zu artikulieren. Über diese allgemeinen Feststellungen<br />

hinaus fällt es schwer, gut begründete »Strategieempfehlungen« zu geben<br />

– denn selbst so elementare Bestimmungen wie die gleichzeitigen Rollen von<br />

Parlamen ten (und anderen demokratischen Deliberationsorganen) etwa als Ge setzgebungsapparate,<br />

Mechanismen der Verwaltungskontrolle und als mediale Dis kursarenen<br />

fallen in unterschiedlichen Verfassungswirklichkeiten und »politischen<br />

Kulturen« in ihrem konkreten Verhältnis und Zusammenspiel sehr unterschiedlich<br />

aus. Über die Feststellung hinaus, dass alle diese »politischen Systeme« jedenfalls<br />

insofern als ein »erweiterter Staat« funktionieren, als sie letztlich dazu beitragen,<br />

für bestehende Strukturen politischer und ökonomischer Herrschaft die Legitimität<br />

zu generieren, welche die unverzichtbare Voraussetzung ihrer Akzeptanz durch die<br />

»Massen«, bzw. die »Menge der vielen« mehr oder minder »politisier ten« Individuen,<br />

bildet. Insofern lassen sich auch etwa parlamentarische Parteien – und zwar<br />

in allen ihren heute, unter der Voraussetzung von Parla men tari sierung und allgemeinem<br />

Wahlrecht, vorzufindenden oder sich noch entfaltenden Varianten – als<br />

»ideologische Staatsapparate« analysieren. Das sollte allerdings nicht dahingehend<br />

missverstanden werden, dass fälschlich unterstellt wird, dass gewisse, in der<br />

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