Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
liche Ana lysen gebraucht und eine Selbstveränderung der politischen Akteure in<br />
solche, die sich nicht für allzu wichtig halten und doch wichtig genug nehmen, um<br />
an dem beständigen Widerspruch ihrer Existenz zu arbeiten, zugleich reformerisch<br />
tätig zu sein und damit das kapitalistische System zu verbessern und auf seine<br />
Umwälzung hin zu streben. Sie müssen fortwährend auf der Suche sein, die Widersprüche<br />
in der Wirklichkeit für Eingriffe zu nutzen, die das Volk, die Massen<br />
handlungsfähiger machen. Ziel sollte sein, eine Politik von oben zu machen, die<br />
eine von unten befördert. Dafür sollten sie das Parlament als Bühne nutzen.<br />
In der Theorie revolutionärer <strong>Realpolitik</strong> ist bei <strong>Luxemburg</strong> impliziert, wenn<br />
auch nicht wirklich ausgearbeitet: eine Theorie des Parlamentarischen, der Intellektuellen,<br />
der Partei, des Staats, von Klassenkampf darin Parlamentarismus als<br />
eines unter anderen, von Produktionsweise, von Kapitalismus und von Sozialismus.<br />
Sie lehrt die Verknüpfungskunst und die Widerspruchskunst und in und über<br />
alledem – Selbstkritik. 4 Dies hier auszuführen würde allerdings an dieser Stelle<br />
eine Alternative sein zum Versuch, <strong>Luxemburg</strong>s Politik in einen konkreten Vorschlag<br />
für heute umzubauen.<br />
Aktualisierung<br />
<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> hält es für falsch, dass die Partei den Massen vorschreibt, welche<br />
Politik zu machen sei. Aufgabe der Partei sei es vielmehr, »Zielbewusstsein und<br />
Zusammenhang in die verschiedenen örtlichen und zeitlichen Fragmente des Klassenkampfes<br />
zu bringen« (GW 4, S. 124).<br />
Ich wende dies zusammen mit den vorhergehenden Analysen zur revolutionären<br />
<strong>Realpolitik</strong> auf den Entwurf einer Politik von Frauen heute an: Ich sammle die<br />
vielen Punkte über die Benachteiligung von Frauen, die einen allgemeinen Jammerchor<br />
bilden und bündele sie in eine Erzählung, die das Auftreten und die Hartnäckigkeit<br />
von Frauenunterdrückung erklären kann und die uns in die Lage versetzt,<br />
positiv, mit Zorn und Leidenschaft, mit Fantasie und nach vorn unsere<br />
Ein würfe zu machen. Diese werden dann jetzt als solche von links erkennbar, statt<br />
bloß immer und erwartungsgemäß mehr zu verlangen als andere, aber sonst eben<br />
das gleiche. Linke Politik muss revolutionär und real zugleich sein, sie muss im<br />
Re alen ihre Füße haben, erkennbar sein, als im wirklichen Leben der Menschen<br />
ansetzend und doch perspektivisch über es hinausweisen in eine Zukunft, die gewollt<br />
werden kann und von der rückwärts die <strong>Realpolitik</strong> auch das Reale verschiebt.<br />
Diese Erzählung lautet verknappt: Geschlechterverhältnisse sind als Produktionsverhältnisse<br />
zu begreifen. 5 Die schlechtere Behandlung von Frauen ist<br />
kein Resultat persönlicher Mann-Frau-Beziehungen und nicht durch Charakter-<br />
4 Man lese dazu das Kapitel »Fehleranalyse und Irrtumskritik« in meinem Buch 2007, S. 95-122.<br />
5 Vgl. zur Begründung: Haug, F.: Geschlechterverhältnisse. In: Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus,<br />
Bd. 5, Hamburg 2001, S. 493-530.<br />
21