Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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Christiane Schneider<br />
Ein neuer Politikansatz in Hamburg<br />
Im Februar 2009 ist DIE LINKE auch in Hamburg in den hiesigen Landtag, die<br />
Bürgerschaft, mit einer Fraktion eingezogen. Wir sind mit acht Abgeordneten nicht<br />
nur eine kleine Fraktion, auf die in diesem Feierabendparlament entsprechend viel<br />
Arbeit wartet, sondern auch ein ziemlich bunter Haufen, ehemalige Sozialdemokraten,<br />
ehemalige Grüne/Regenbogen, Menschen aus Gewerkschaften, aus Ein-<br />
Punkt-Bewegungen und schließlich natürlich auch solche mit z. T. jahrzehntelangen<br />
Erfahrungen aus den verschiedenen Strömungen der (alten und neuen)<br />
westdeutschen Linken.<br />
Zugleich sind wir, wie DIE LINKE überhaupt und in gewisser Weise in besonderem<br />
Maße im Westen, mit ungekannt großen und sehr verschiedenen Erwartungen<br />
konfrontiert: Erwartungen aus den Gewerkschaften und außerparlamentarischen<br />
Bewegungen, ihre Anliegen nicht nur aufzugreifen, sondern diesen zur<br />
Geltung zu verhelfen; Erwartungen zweitens in Richtung Fundamentalopposition,<br />
verbunden oft mit erheblicher Skepsis; Erwartungen schließlich, die sich in den<br />
Wahlerfolgen und seither in wachsenden Umfragewerten der LINKEN bei gleichzeitigen<br />
z. T. dramatischen Verlusten der SPD niederschlagen, d. h. allgemein<br />
gespro chen Erwartungen, den Sozialstaat zu verteidigen, was immer das im Einzelnen<br />
heißt. Zu bedenken ist dabei, dass wir als Personen – und das wird in Hessen,<br />
Niedersachsen, Bremen kaum anders sein – auf unterschiedliche Weise mit<br />
den unterschiedlichen, teilweise sogar konträr erscheinenden Erwartungen lebensgeschichtlich<br />
verbunden sind, was kleine Fraktionen wirklich strapazieren kann,<br />
wenn das nicht ständig im Hintergrund mitbedacht wird.<br />
Die Gefahren sind naheliegend. Die Frage steht, ob und wie wir es schaffen,<br />
den Weg zu finden zwischen der Skylla einer auf der Stelle tretenden <strong>Realpolitik</strong><br />
ohne Anspruch auf Umwälzung, einer <strong>Realpolitik</strong>, die vor allem das Feld beackert,<br />
das die Sozialdemokraten oder auch Grünen haben liegen lassen, und der Charybdis<br />
einer Fundamentalopposition, die die Systemfrage stellt und sich dabei um die<br />
realen Bedingungen und um real erreichbare Verbesserungen wenig schert. Es<br />
geht, um auf den Titel dieser Tagung zu kommen, um die Entfaltung radikaler <strong>Realpolitik</strong>.<br />
Aber was heißt das?<br />
Ich will hier einige eher allgemeine Überlegungen anstellen. Ich komme aus<br />
einer Tradition, die mit den Begriffen der Utopie oder auch der Vision, die für<br />
viele Linke sehr wichtig sind, immer erhebliche Probleme hatte. Unbestritten ermöglicht<br />
der Entwurf von Utopien bzw. Visionen, ermöglicht der alternative<br />
Weltentwurf die Kritik der real existierenden Welt; er delegitimiert sie. Das war<br />
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