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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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Klaus Lederer<br />

Was ist und was kann »radikale <strong>Realpolitik</strong>« heute?<br />

Eine Diskussion über die Erfahrungen und Möglichkeiten einer »revolutionären<br />

<strong>Realpolitik</strong>« oder »radikalen <strong>Realpolitik</strong>« unter den Bedingungen des Kapitalismus<br />

im 21. Jahrhundert führt einmal mehr auf eines der grundlegenden Probleme<br />

linker Parteipolitik – insbesondere derjenigen, die in parlamentarischer Verantwortung<br />

und erst recht in Regierungskoalitionen stattfindet. Denn nimmt man <strong>Rosa</strong><br />

<strong>Luxemburg</strong>s Unterscheidung einer »revolutionären <strong>Realpolitik</strong>« von einer bürgerlichen<br />

Politik ebenso wie von einem »revolutionär-sozialistischen Utopismus«<br />

zum Ausgangspunkt, so geht es zunächst um die Einsicht in die – beziehungsweise<br />

die Erkenntnis der – realen Verhältnisse und ihrer Bewegungsformen, der Bestimmung<br />

der eigenen Rolle und Stellung innerhalb dieser Verhältnisse und um die<br />

Reflektion des eigenen politischen Tuns, seiner Wirkungen und Folgen. <strong>Rosa</strong> hat<br />

das in der ihr eigenen Knappheit so ausgedrückt: »Mit dem Ariadnefaden der<br />

Marxschen Lehre in der Hand ist die Arbeiterpartei heute die einzige, die vom historischen<br />

Standpunkt weiß, was sie tut, und deshalb tut, was sie will.« 1 Fehlt uns<br />

heute auch die Sicherheit historischer Determinismen, so ist und bleibt an <strong>Rosa</strong><br />

dieser Aspekt faszinierend aktuell: dass linke »radikale Politik« kein beliebiges<br />

Schaukeln zwischen den vorhandenen Interessen und Triebkräften ist ohne jeden<br />

Bezug zum gesellschaftsverändernden Anspruch, sondern ein insoweit bewusstes<br />

Handeln im Wissen um die eigenen Möglichkeiten, Grenzen und Widersprüche<br />

konkreter Situationen.<br />

Eine solche kritische Reflexion des eigenen politischen Tuns setzt neben einem<br />

Grundbestand theoretischen Instrumentariums 2 aber auch die Gelegenheiten dazu<br />

voraus. Diese Gelegenheiten sind vor dem Hintergrund der Anforderungen des politischen<br />

Alltagsgeschäftes, denen man als Parteifunktionär und Parlamentarier unterliegt,<br />

rar gesät. Zumal wenn eine Einladung wie die zu unserem heutigen Workshop<br />

mitten in die politische Saison platzt. Deshalb möchte ich gleich eingangs<br />

um Nachsicht dafür bitten, dass so mancher Gedanke, den ich hier heute darlege,<br />

der hohen Messlatte analytischen Herangehens, die <strong>Rosa</strong> uns vorgibt, nicht in vollem<br />

Umfang genügen wird. Auch ist, mit Rücksicht auf Zeitpläne und die Möglich-<br />

1 <strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong>: Karl Marx. In: <strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong>, Gesammelte Werke Bd.1/2, S. 369, 371 (Kursivsetzung im<br />

Original).<br />

2 Dieser Aspekt wird im Weiteren nur am Rande gestreift. Es muss gewiss in Zweifel gezogen werden, dass es in<br />

Hinblick auf die moderne Annäherung an die Analyse unserer Gesellschaft einen common sense im linken theoretischen<br />

Diskurs gäbe. Das Defizit ist erklärbar. Nicht erklärbar ist angesichts des Defizits die vergleichsweise geringe<br />

Breite einer offenen Diskussion ohne Vorfestlegungen bzw. ohne Tabubereiche bei der Kritik des Marxismus-Leninismus<br />

als orthodoxer Verengung und Legitimationsideologie.<br />

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