Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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Formell und namentlich wurde diese »Strömung« Ende 2005 gegründet, 2007<br />
war sie eine der tragenden Kräfte der Anti-G8-Mobilisierung von Heiligendamm.<br />
Zu ihr gehören lokale aktivistische Gruppen autonomen oder »postautonomen«<br />
Selbstverständnisses, spezifische Kampagnen, Zeitungs- und andere Projekte, Einzelaktivist/innen,<br />
die in attac, in Gewerkschaften oder NGOs arbeiten bzw. ihre<br />
politische Arbeit anderswie »professionell« verrichten. 6 Es gibt eine Schnittmenge<br />
auch zur LINKEN, sofern einzelne Parteimitglieder auch an der IL teilnehmen.<br />
Historisch reicht die »Strömung« länger zurück: in Zusammenhänge, deren Geschichte<br />
in den 1970er Jahren beginnt, und in den Prozess der Selbstkritik der autonomen<br />
Bewegung, der Ende der 1980er Jahre einsetzt. Aus dieser selbst verwickelten<br />
Geschichte heraus positioniert sich die IL als linksradikale Formation<br />
freimütig in den Koordinaten der Trennung moderater und radikaler Linker, je der<br />
zweiten den Vorrang gebend: Reform oder Revolution, Masse oder Prinzip, Vermittlung<br />
oder Konsequenz, Pragmatik oder Kritik, Legalität oder Militanz usw.<br />
Staatsfern bis antistaatlich, weiß sie zugleich, dass sie nicht die gesellschaftliche<br />
Mehrheit »repräsentiert« und dies auch nicht tun wird. Sie distanziert sich deshalb,<br />
trotz professionellen Medienumgangs, vom Geschäft der Repräsentation selbst<br />
und wählt wiederum freimütig ihr eigenes »Minderheitlich-Werden«: Artikulation<br />
dessen zu sein, was nicht dazugehört und nicht dazugehören will.<br />
Dem entspricht die Vorliebe für die Vorsilbe »anti«: die IL ist antifaschistisch,<br />
antirassistisch, antinational, antisexistisch. In nicht spannungsfreier Weise entspricht<br />
dem ihre aktivistische Verfassung, die Stellvertretungsverhältnisse auszuschließen<br />
sucht und, traditionell gesprochen, »Kader« organisieren will, neulinks<br />
neubestimmt: politische Subjekte in Erster Person.<br />
Den eigenen An- und Einsatz vermag sie politisch dennoch auch positiv zu<br />
wenden: Antinationalismus, Antifaschismus und Antirassismus in ein Recht auf<br />
globale Bewegungsfreiheit, die existenziell verstandene Revolte gegen kapitalistische<br />
Lohnarbeit in ein Recht auf ein bedingungsloses Existenzgeld, den alles zusammenführenden<br />
Antikapitalismus und Antiimperialismus in ein problematisches,<br />
gleichwohl affirmativ behauptetes Recht auf autonome gesellschaftliche<br />
Aneignung, bisweilen auch »Recht auf Revolution« genannt. 7<br />
6 Zu den lokalen Gruppen gehören die Berliner Gruppe Für eine linke Strömung (FelS), die Antifaschistische Linke<br />
Berlin (ALB), die in Norddeutschland aktiven Gruppen von Avanti – Projekt undogmatische Linke, die Antifa<br />
KOK aus Düsseldorf, die Hannoveraner Rote Aktion Kornstraße, das Projekt Interventionistische Linke Köln<br />
(PILK), die Göttinger Antifaschistische Linke International (ALI), dissident aus Marburg sowie organisierte autonomie<br />
(oa) und radikale linke (rl) aus Nürnberg. Mit von der Partie sind die bundesweite Kampagne Libertad!, das<br />
Institut für Theologie und Politik (itp) aus Münster, angeschlossen sind die Zeitung analyse+kritik und das Magazin<br />
Fantômas. Vgl. www.dazwischengehen.org/.<br />
7 Vgl. den Reader Dazwischen gehen! Texte zur Offenen Arbeitskonferenz der IL (2007), zu bestellen über die o.a.<br />
Website. Vgl. außerdem die Erklärung der an der IL beteiligten Kampagne Libertad!, Kein Friede mit der NATO<br />
oder: Das Recht auf Revolution, http://www.info.libertad.de/.<br />
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