Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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Frieder Otto Wolf<br />
Parteien, soziale Bewegungen, Zivilgesellschaft, Bündnisse<br />
Instrumente und/oder Formen »revolutionärer <strong>Realpolitik</strong>«?<br />
Vorab: Ich fühle mich hier – bevor ich auf mein besonderes Thema näher eingehe<br />
– durch den Verlauf der Debatte dazu herausgefordert, zumindest eine grundsätzliche<br />
Frage näher zu erörtern und möglichst zu beantworten: Die Frage, ob das<br />
strategische Konzept einer »revolutionären <strong>Realpolitik</strong>« wirklich das Dilemma<br />
zwischen dem unabweisbaren »Realitätsprinzip« im politischen Handeln und dem<br />
nicht weniger dringlichen prinzipiellen Erfordernis einer radikalen Zielsetzung<br />
und einer geradezu utopischen Phantasie aufgelöst werden kann. Diese Frage<br />
möchte ich als solche zurückweisen und der Sache nach doch beantworten, d. h.<br />
wie Michael Jäger dies einst methodologisch ausgearbeitet hat, ich möchte sie<br />
»widersprechend« beantworten. Erst damit wird, denke ich, der Raum gewonnen,<br />
den wir dafür brauchen, um endlich die politische Strategie einer kritisch-emanzipatorischen<br />
Praxis erneuern zu können.<br />
Dann erst möchte ich auf die konkreteren Fragen einer kritisch-emanzipatorischen<br />
Parteibildung eingehen, wie sie sich m. E. heute stellen.<br />
Realismus, »<strong>Realpolitik</strong>« und Revolution<br />
Auch heute noch ist die Unterscheidung wichtig, durch die wir die Differenz fassen<br />
können, die zwischen dem (auch für radikale Positionen und Praktiken einer<br />
Politik der Befreiung) unabweisbaren Erfordernis eines genauen Eingehens auf<br />
»die effektive Wahrheit der Tatsachen« einerseits – wie sie seit Machiavelli als<br />
Herausforderung der Klugheit begriffen wird – und dem Verfehlen dieses Realitätsbezugs<br />
andererseits besteht, durch den sich eine politische Praxis zur Erfolglosigkeit<br />
verurteilt, ganz gleich, ob dies aus begeistertem Überschwang, aus schierer<br />
Unkenntnis oder auch aufgrund einer Verweigerungshaltung gegenüber den Erfordernissen<br />
der jeweils gegebenen Lage geschieht.<br />
Nur ist es offenbar schwierig, diese Unterscheidung als solche klar zu artikulieren<br />
und vor allem in konkreten Situationen richtig zu handhaben: Die Übergänge<br />
zwischen »Realismus« und »Opportunismus« sind offenbar ebenso schwierig allgemein<br />
zu fixieren und situativ überzeugend zu beurteilen, wie die Differenz zwischen<br />
Prinzipienfestigkeit und Donquichotterie.<br />
Erschwerend kommt noch hinzu, dass es gute Gründe dafür gibt, das Postulat<br />
der »<strong>Realpolitik</strong>« spezifischer zu fassen als die Forderung nach Realismus in der<br />
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