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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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612 Kongreßberichte<br />

schen Bischöfen unterstützt und spielt auch eine Rolle im Präsidentschaftswahlkampf<br />

1984. Eine knappe Darstellung und Begründung dieser Forderung durch McGeorge<br />

Bundy, George F. Kennan, Robert S. McNamara und Gerard Smith fmdet man im<br />

Europa-Archiv (1982, Folge 7, 183-198), eine ablehnende Stellungnahme von Karl Kaiser,<br />

Georg Leber, Alois Mertes und Franz-Joseph Schulze ebenda (1982, Folge 12, 357-<br />

368). Mit ihrer Tagung organisierte die Evangelische Akademie Loccum in Kooperation<br />

mit der Union of Concerned Scientists die erste nennenswerte öffentliche Diskussion in<br />

Europa zu diesem Thema.<br />

Brigadegeneral a.D. Christian Krause, Unterzeichner des NcrFirst-Use-Reports, stellte<br />

zunächst dar, daß ein atomarer Erstschlag gegen <strong>das</strong> strategische Atompotential des<br />

Gegners angesichts der danach immer noch vorhandenen Zweitschlagskapazität für beide<br />

Seiten praktisch nicht in Frage komme. Hingegen sieht die NATO-Strategie einen<br />

»Erstgebrauch« von Atomwaffen gegen einen konventionell geführten Angriff ausdrücklich<br />

für den Fall vor, daß er konventionell nicht abgewehrt werden karm. Die Befürworter<br />

eines Verzichts auf diese Doktrin führen hauptsächlich zwei Argumente an.<br />

Erstens sei die NATO-Doktrin der flexiblen Erwiderung in den letzten Jahren und Jahrzehnten<br />

durch die Entwicklung neuer Waffensysteme zunehmend obsolet geworden.<br />

Vor allem die einschlägigen Kriegsbilder, die von einem massiven konventionellen Angriff<br />

(insbesondere auf Westeuropa) ausgehen, seien aus politischen und aus militärischen<br />

Gründen unrealistisch. Die Doktrin selbst sei entweder ein Bluff (könne also gar<br />

nicht angewendet werden und wirke daher nicht abschreckend) oder Selbstmord (weil sie<br />

die weitere Eskalation bis zur beiderseitigen Vernichtung herausfordere). Zweitens sei die<br />

derzeit geltende NATO-Strategie notwendigerweise mit der Betonung der nuklearen<br />

Komponente verbunden. Dies habe zu einer Vernachlässigung der konventionellen Elemente<br />

geführt, was im Kriegsfalle gegen alle Vernunft und Menschlichkeit eine wesentlich<br />

schnellere Überschreitung der Nuklearschwelle zur Folge habe, als <strong>das</strong> unter militärischen<br />

Gesichtspunkten grundsätzlich notwendig wäre. Bis in letzte Einzelheiten von<br />

Strategie, Planung, Ausrüstung, Anschaffung und Psyche der Beteiligten seien Konzeption<br />

und Wirklichkeit der NATO (vor allem bei der Luftwaffe, aber auch im Heer) von<br />

nuklearem Denken durchsetzt, <strong>das</strong> jeden Krieg in Europa alsbald in die nukleare Katastrophe<br />

führe. Denn jegliches Versagen im konventionellen Bereich sei praktisch durch<br />

die nukleare Option gedeckt.<br />

Prof. George Rathjens (Massachusetts <strong>Institut</strong>e of Technology) hielt es für außerordentlich<br />

unwahrscheinlich, daß die NATO einem konventionellen Angriff durch die<br />

Staaten des Warschauer Paktes konventionell nicht standhalten könnte. Ein Atomkrieg<br />

könne grundsätzlich nicht beherrscht (»managed«) werden. Der pensionierte Vice Admiral<br />

John Marshall Lee, Hauptverfasser des NFU-Reports, vertrat die Auffassung, daß<br />

die geltende Abschreckungsdoktrin nicht unbegrenzt erfolgreich sein könne, im Falle ihres<br />

Scheiterns aber die menschliche Kultur auslösche und insgesamt die westliche Seite<br />

mehr zum Narren halte als die östliche. Laut Gerard K. Smith, Leiter der US-Delegation<br />

bei den SALT-Verhandlungen von 1969-1972 und Mitunterzeichner des NFU-Reports,<br />

wird ohne wechselseitige Waffenbeschränkungen der Abschreckungseffekt der letzten<br />

Jahrzehnte erodieren. Daß die amerikanische Strategie unter bestimmten Umständen einen<br />

Nuklearkrieg vorsehe, der Präsident einen Atomkrieg aber für nicht führbar, jedenfalls<br />

nicht gewinnbar halte, offenbare einen Widerspruch, der nur durch Abkehr von<br />

der gegenwärtigen »nuclear addiction« (atomaren Abhängigkeit) überwunden werden<br />

könne.<br />

»No First Use« setzt allein auf konventionelle Verteidigung. »Der konventionelle<br />

Kampf muß wieder in den Mittelpunkt des Denkens treten.« (Krause) Da ein Verzicht<br />

auf den Ersteinsatz von Atomwaffen die gesamte derzeitige NATO-Strategie berührt,<br />

müsse die geforderte NFU-Deklaration mit einer grundlegenden Umrüstung verbunden<br />

nA~ ADr.TIMl=NT l.ih/lQ~A.<br />

(C)

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