das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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608 Kongreßberichte<br />
konstituiere sich in zwei getrennte Klassen von Männern und Frauen, die marxistische<br />
Bestimmung per Verhältnis zu den Produktionsmitteln gelte nur für Männer, Frauen<br />
hingegen sei die Klassenzugehörigkeit per sexueller Bindungen an Männer vermittelt, sie<br />
seien deren Produktionsmittel usw. Fällig sei eine kulturelle Revolution, Bewußtseinsveränderung,<br />
sei eine (vorübergehende) Frauenzentrierung: Frauen seien <strong>das</strong> Wesen an<br />
sich und möglicherweise die Männer »die Anderen« ... Lerners Angebot mit den verheißungsvollen<br />
Aufmachern Geschlecht - Klasse - Rasse hält im Inhalt nicht, was die<br />
Verpackung verspricht: Letzten Endes wird Frauen die Produktionsmittel frage als ökonomische<br />
enteignet, den Männern zum Preis (erhoffter) gesellschaftlicher Randstellung<br />
belassen. Mit missionarischem Optimismus vorgetragen, verführerisch klar, boten die<br />
<strong>Theorie</strong>versatzstücke in ihrer beliebig-blumigen Mischung, inneren Widersprüchlichkeit<br />
und Unkonkretheit alle und keine Identifikationsmöglichkeiten (»Genossinnen und<br />
Schwestern!«). Und fanden viel Plenumsbeifall. Herta Nagl-Docekal fragte nach dem<br />
Ort der Frauen in der Geschichte, warnte vor dem (auch bei Lerner vorhandenen) Reduktionismus<br />
der Frauenforschung auf den sogenannten weiblichen Lebenskreis, einer<br />
unausweichlichen Gefahr, wenn man den gesamten traditionellen Geschichtsforschungsbereich<br />
als männerspezifisch einschätze, obwohl dieser ja genau nicht nur die Lebenswelt<br />
der Männer erfasse. Und ob, so ein zweiter Verschränkungsvorschlag, nicht auch<br />
Männer Frauengeschichte schreiben könnten und sollten, bei nicht erlebnisorientierten<br />
Themen (zum Beispiel Rechtsstellung).<br />
Den meisten Platz nahmen die Arbeitskreise ein. Durch den Mangel an formulierten<br />
verallgemeinerten Problemstellungen verliefen sie ziemlich konsumistisch, innerhalb der<br />
Tagung selbst arbeitsperspektivlos, mit ihrer (ermüdenden) Aneinanderreihung war die<br />
Zusammenhanglosigkeit auch feministischer Privatproduzentinnen kaum aufbrechbar.<br />
Der inhaltliche Schwerpunkt lag auf dem 19. und 20. Jahrhundert, neben rein deskriptiven,<br />
historischen Beiträgen standen auch theoretische Genüsse der Verknüpfung von<br />
Geschlechter- und Ökonomieverhältnissen, wie beispielsweise »Courtisane ou Menagere?<br />
Zwei Pole des bürgerlichen Frauenbildes. Männliche Liebesideologie und Lebenswirklichkeit<br />
von Frauen in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich« von Dorothea<br />
Mey (Berlin). Aufgrund zu großer Sprachprobleme müssen wir die uns besonders interessierende<br />
Auseinandersetzung mit den Referentinnen aus Bulgarien, Jugoslawien, Ungarn<br />
bis zum Erscheinen der Tagungsgesamtdokumentation verschieben (Herbst, Subskription<br />
bis Ende Juni, ca. 30 DM, Wiener Frauenverlag, Postfach 614, 1011 Wien).<br />
Ein bemerkenswerter Beitrag zum Verhältnis Sozialismus-Feminismus: Iris Bubenik<br />
Bauer (Bremen), »Probleme der Frauenemanzipation in der VR China«. Erstaunlich<br />
wenig konkretisiert blieben in den Arbeitskreisen die im Eröffnungsplenum allgemein<br />
beklagten Forschungsbedingungen.<br />
Unsere Konsequenzen aus der Tagung, die Voraussetzung für »internationale Lust«:<br />
eine lokale Initiativgruppe Innsbrucker Studentinnen (interdisziplinär) zu Grundsatzfragen<br />
der historischen Frauenforschung, als notwendige Basis von Vernetzungen, und ein<br />
österreichweites Treffen, <strong>das</strong> bereits in Planung ist - dort möchten wir dann auch die<br />
Wiener Organisatorinnen in liebevollem Lob baden: ihre Aktivitätslust, ihre Kollektivität<br />
sind ansteckend. (Gekürzte Fassung)<br />
Anni Bell, Maria Steibl, Doris Wackerle und Kerstin Witt (lnnsbruck)<br />
Psychologie in der Mediävistik<br />
Steinheim, 5. bis 8. März 1984<br />
Im Rahmen der methodischen Neuorientierung der Germanistik erschien 1972 ein Sammelband<br />
»Literatur und Psychoanalyse«, in dem W. Beutin nicht nur Ansätze zu einer<br />
psychoanalytischen Literaturinterpretation von Freud, Sachs, Jung u.a. nachdruckte,<br />
DAS ARGUMENT 145/1984 ,c: