das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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588 Peter Heller und Anne Seyfferth<br />
ganismus: Sollen die ökologischen Kreisläufe möglichst unbelastet erhalten<br />
bleiben, sind Produktion, Konsumtion und Bevölkerungszahl unterhalb bestimmter<br />
Grenzwerte zu stabilisieren (Daly 1973). Ähnliche »bioökonomische«<br />
Varianten tauchen in den letzten Jahren im deutschsprachigen Schrifttum<br />
auf (Uhlig 1978; Zellentin 1979). Noch einmal ist auch die NAWU-Gruppe<br />
(NA WU - Neue Analysen für Wirtschaft und Umwelt) um Binswanger zu<br />
erwähnen, die langfristig ebenfalls ein ökologisches Wachstum anstrebt. Das<br />
»qualitative Wachstum« wird als Übergangsstrategie legitimiert, da weitergehende<br />
Forderungen kurzfristig nicht demokratisch durchsetzbar seien (Binswanger<br />
1979, 117-126). In der politischen Diskussion liegt die Leitidee des ö kologischen<br />
Wachstums, recht vage formuliert, dem Bundeswirtschaftsprogramm<br />
der Grünen zugrunde (1983): Die Rede ist vom »teilweisen Abbau und<br />
Umbau unseres Industriesystems« (6), um die Beziehung von Mensch und Natur<br />
nicht als Ausbeutungsverhältnis, sondern als »Partnerschaft« zu konstituieren.<br />
Den angeführten Konzeptionen - Daly ausgenommen - ist eine im wesentlichen<br />
verbale Form der Analyse gemeinsam. Sie unterscheiden sich von<br />
denjenigen Modellen ökologischen Wachstums, die derzeit unter mathematischen<br />
Ökonomen sehr beliebt sind (Siebert 1981; d' Arge/Kogiku 1973; Bender<br />
1976). Eine mathematische Verknüpfung ökologischer und ökonomischer<br />
Kreislaufprozesse führt hin zu Optimierungs- und Gleichgewichtsmodellen, die<br />
leicht in den herrschenden <strong>Theorie</strong>zusammenhang integrierbar sind. Doch<br />
selbst von naturwissenschaftlicher Seite her regen sich Zweifel, ob die durch<br />
die Mathematisierung der Biologie und die Biologisierung der mathematischen<br />
Ökonomie gelieferte Scheinexaktheit sinnvoll sein kann angesichts der Tatsache,<br />
daß die uns umgebende Natur seit Jahrtausenden von Menschen gestaltet,<br />
<strong>das</strong> heißt sozial konstituiert wird (dazu Böhme 1980, 245-270; ferner Moscovici<br />
1982 und Methe 1981, 618-628, aus sozialwissenschaftlicher Perspektive).<br />
Die historische Bedingtheit unserer Umwelt als Kulturlandschaft, die auch im<br />
Konzept der NAWU-Gruppe ansatzweise gesehen wird (Binswanger 1979, 261-<br />
278), ist im »status-quo«-Denken der Optimierungs kalküle systematisch ausgeblendet.<br />
3. Wirtschaftsschrumpfung. Tauchen bei Daly oder dem Wirtschaftsprogramm<br />
der Grünen Überlegungen zur Reduzierung der ökonomischen Aktivität<br />
als Ganzer nur punktuell im Hinblick der Umweltverträglichkeit auf, entwirft<br />
Jaeger <strong>das</strong> »Konzept Wirtschafts schrumpfung« als eigenständige Alternative,<br />
zieht die Summe aus Träumen, Erfahrungen und Erkenntnissen einer<br />
Deäkonomisierung der Gesellschaft: »Das Wirtschaftswachstum ist eine Sackgasse<br />
gesellschaftlicher Entwicklung. In der Sackgasse stehenbleiben ist auch<br />
nicht lebbar: <strong>das</strong> Einfrieren der Wirtschaft im Nullwachstum ist eine Illusion.<br />
Der Zusammenhang von Geld und Staat, der die wirtschaftliche Entwicklung<br />
regelt, bricht auseinander, wenn er still steht. Das ist eine Erfahrung der Vergangenheit,<br />
die zu übersehen höchst gefährlich ist. Die Entfremdung von der<br />
Umwelt, in der wirtschaftliche Entwicklung stattfindet, wird ertragen in der<br />
Erwartung einer besseren Zukunft. Wenn diese Erwartung nicht mehr durch<br />
eine wachsende Wirtschaft genährt wird, ist die Ökonomisierung der Gesell-<br />
DAS ARGUMENT 146/1984