das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Alle Macht den Frauen 547<br />
waren und zugleich eine größere Geborgenheit versprachen. Und so wurde die<br />
echte Sehnsucht nach sinnvoller Regelung der ökonomischen und moralischen<br />
Verhältnisse zusehends ins Reaktionäre umgefälscht und die Mutterrolle als die<br />
höchste Aufgabe der Frau hingestellt. Während Mathilde Vaerting in ihren<br />
Studien Die männliche Eigenart im Frauenstaat und die weibliche Eigenart im<br />
Männerstaat (1921) im Hinblick auf <strong>das</strong> geschlechtsspezifische Verhalten noch<br />
von ökonomischen Gesichtspunkten ausgegangen war, um so die Gleichrangigkeit<br />
der Frau auf allen Gebieten zu beweisen, beriefen sich die Rechten jetzt<br />
eher auf ein Werk wie Von deutscher Gottesmutterschaft (1919) von Margart<br />
Hunkel, <strong>das</strong> aus dem großen Reservoir der »fortschrittlichen Reaktion« der<br />
lahrhundertwende stammt.39 Nach Hunkel tendiert jede wahre Liebe nicht<br />
zur Lust, sondern zur Ehe, zur Zeugung, zur Mutterschaft. Sie propagierte daher<br />
eine »deutsche Frauenbewegung«,40 bei der nicht <strong>das</strong> Emanzipatorische,<br />
sondern <strong>das</strong> im rassenzüchterischen Sinne Mütterliche im Vordergrund steht.<br />
Die sich auf solche Ideen stützenden Gruppen innerhalb der Frauenbewegung<br />
gingen nach 1933 nahtlos in die NS-Frauenschaft auf. So betont etwa Gertrud<br />
Bäumer in ihrem Buch Die Frau und der Staat von 1932, daß es bei der Gleichberechtigung<br />
der Frau nicht um Stimmrecht und Einschaltung in die äußere<br />
Apparatur der Staatslenkung, sondern primär um eine neue Sinngebung von<br />
Ehe und Mutterschaft im Dienste des nationalen Gedankens gehe. Ähnliche<br />
Äußerungen finden sich bereits in Schriften wie Inhalt und Wandel der Idee<br />
der Mütterlichkeit (1926) von Ada Beil und Der Ruf nach der mütterlichen<br />
Frau (1928) von Else Hasse.<br />
Doch als die wirkungsmächtigste Studie innerhalb dieser präfaschistischen<br />
Mutterverkultung erwies sich <strong>das</strong> Buch Erkenntnisgeist und Muttergeist. Eine<br />
Soziosophie der Geschlechter (1932) von Ernst Bergmann. In ihm wird im anthropologischen<br />
Sinne die männliche Sexualität mit Suchtrieb, Schaustellungstrieb<br />
und Begattungstrieb, die weibliche Sexualität mit Empfängniswille,<br />
Wahlsinn und Muttergeist gleichgesetzt. Aufgrund dieser urgeschlechtlichen<br />
Polarität erblickt Bergmann in der »maskulinisierten« Frau der Gegenwart einen<br />
»eklatanten Irrweg der modemen Kultur«.41 Die längst überfällige »biologische<br />
Revolution«, schreibt er weiter, müsse deshalb danach trachten, wieder<br />
eine richtige »Rollenverteilung« herbeizuführen.42 Nach einer langen Periode<br />
des Übergewichts der männlichen Ratio, die sich in der Philosophie als ein abstraktes<br />
Streben nach dem »absoluten Geist« und in der Religion als eine »Vermännlichung<br />
des Weltgeheimnisses« manifestiert habe, sei es heute an der<br />
Zeit, wieder zu den Urgründen des menschlichen Lebens, nämlich dem von<br />
Bachofen entdeckten Muttergeist, zurückzukehren.43 Bergmann ereifert sich<br />
darum ständig gegen den männlichen Sozialismus und die männliche Bonzokratie<br />
und tritt statt dessen für Konzepte wie »Mutterreligion«, »Mutterehe«<br />
und »Muttersozialismus« ein.44 Alle Männer müßten sich in Zukunft, erklärt<br />
er apodiktisch, wieder ihrer »Gottesmutterkindschaft« bewußt werden.45<br />
Doch <strong>das</strong> sei nur möglich, wenn die »monogame Dauerehe« abgeschafft werde,<br />
da sie als <strong>Institut</strong>ion nicht »zeugerisch« genug sei. 46 Bergmann fordert deshalb<br />
alle deutschbewußten Frauen auf, eine »Frauen- und Mutterpartei« zu<br />
gründen, um so der »Idee des Muttersozialismus auf dem Umweg über die<br />
DAS ARGUMENT 146/1984 ©