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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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616 Besprechungen<br />

wenn man <strong>das</strong> Register prüft: »Charaktermaske« fehlt ganz, während »Personifikation«<br />

nur einmal (129; = MEW 23, 128) nachgewiesen ist (es fehlt z.B. 97, 172). »Personnage«<br />

wiederum fehlt gänzlich, desgleichen »masques economiques« (167), womit<br />

gelegentlich »ökonomische Charaktermaske« übersetzt ist. Das Register verzeichnet dagegen<br />

»masques (deguisement)«, wo aber jene Stelle nicht nachgewiesen ist. Gegen den<br />

Gedanken von Marx rutscht die »Charaktermaske« zur verbergenden Maske der Verkleidung<br />

hinüber. Wo Marx von den »ökonomischen Charaktermasken der Personen«<br />

spricht (MEW 23, 100), heißt es in fast unmerklicher Verschiebung: »les masques economiques<br />

dont se couvrent les personnes« (97), wobei <strong>das</strong> Register vollends suggeriert, den<br />

Sinn als »Verkleidung« der Personen zu lesen.<br />

Während bei vielen Begriffen der Sprachgebrauch der Übersetzung uneinheitlich ist,<br />

(z.B. »corps de la marchandise« oder »denree materielle« für »Warenkörper«), ist <strong>das</strong><br />

engere Sprachspiel um Wert und Mehrwert vereinheitlicht. Der gewohnte Ausdruck<br />

»plus-value« wird durch »survaleur« ersetzt (siehe dazu XLIIIf.). Sorgfaltig sind auch<br />

Begriffe wie Warenform, Warenproduktion und Wertform behandelt.<br />

In der Einleitung gibt Lefebvre eine lange und detaillierte Darstellung der Geschichte<br />

der alten Übersetzung (während die neue mehr als diskret behandelt wird). Die Biographien<br />

des Übersetzers Roy und des Verlegers La Chätre werden ebenso berichtet wie <strong>das</strong><br />

Hin und Her der Bearbeitung. Es folgt eine Geschichte der verschiednen Vorarbeiten,<br />

die schließlich ins Kapital mündeten, sowie der folgenden Bearbeitungen des Buchs.<br />

Über die Richtung der sukzessiven Veränderungen wird nicht viel mehr gesagt, als daß<br />

hegelianische Begriffe in den Hintergrund treten. Die Beispiele (»Bestimmung« werde zu<br />

»Funktion«, »Moment« zu »Faktor«, XLIX) überzeugen nicht durchweg; es wird zum<br />

Beispiel übersehen, daß die »Bestimmung« (zum Beispiel des Gebrauchswerts einer Ware)<br />

der »Realisation« bedarf (Marx: »Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur im Gebrauch<br />

...«, MEW 23, 50), also in einen praktisch-materialistischen, durchaus nicht hegelianischen<br />

Diskurs eingebettet sein kann.<br />

So fällt <strong>das</strong> Gewicht der Darstellung mehr auf die Tatsache der häufigen Umarbeitung<br />

als solcher. Das Kapital wird (wie schon 1975 vom Herausgeber-Übersetzer der ausgezeichneten<br />

spanischen Kapital-Ausgabe von Siglo XXI, P. Scaron, den Lefebvre aber<br />

nicht zitiert) zum »Palimpsest« erklärt, also zum ständig übermalten oder, Schicht um<br />

Schicht, neu beschriebenen Manuskript (XXXff.). »In dieser Hinsicht läßt sich Das Kapital<br />

eintragen in die Reihe der nie abgeschlossenen großen Werke, die gewissermaßen<br />

unabschließbar sind, und in dieser Hinsicht mit Goethes Faust vergleichen.« (XL) Nach<br />

den ebenso originellen und anregenden wie oft gezwungenen interpretatorischen Zugriffen<br />

Althussers (etwa in der Einleitung zur Flamarion-Ausgabe des Kapital von 1969) fällt<br />

bei seiner Schülergeneration <strong>das</strong> Zurückweichen ins Reich der »Tatsachen« oder solcher<br />

konventioneller Vergleiche auf. - An der Frage der Überarbeitungsrichtung hängt die<br />

Einschätzung der alten französischen Ausgabe (welche ja die Ausgabe »letzter Hand«<br />

ist). Lefebvre folgt in dieser Hinsicht unkritisch der Einschätzung von Engels. Engels erklärt<br />

in seiner Notiz zur 3. Auflage (datiert vom 7.11.1883): »Nur <strong>das</strong> Nötigste sollte geändert,<br />

nur die Zusätze eingefügt werden, die die inzwischen erschienene französische<br />

Ausgabe ... schon enthielt ... Diese Änderungen ... beschränken sich, mit wenigen Ausnahmen,<br />

auf den letzten Teil des Buchs ...« (MEW 23, 33). Engels begründet diesen<br />

Sachverhalt so: »Hier folgte der bisherige Text mehr als sonst dem ursprünglichen Entwurf,<br />

während die früheren Abschnitte gründlicher überarbeitet waren. Der Stil war daher<br />

... nachlässiger ... , stellenweise undeutlich; der Entwicklungsgang bot ... Lücken, indem<br />

einzelne wichtige Momente nur angedeutet waren.« (Ebd.) Wenn Engels' Erklärungen<br />

zutreffen, muß zweierlei gelten: Erstens betreffen die Veränderungen nur den Stil<br />

und den Grad der Expliziertheit der Gedankenentwicklung; zweitens sind alle Veränderungen<br />

in die deutsche Fassung seit der 3. Ausgabe übernommen. In Wahrheit hält keine

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