das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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DAS ARGUMENT 146/1984 es<br />
598<br />
Interventionen<br />
Thomas Metscher: Die Kraft der besseren Argumente*<br />
(I) In der Tat: Manfred Buhr hat seinen politischen Freunden in der Bundesrepublik einen<br />
Bärendienst erwiesen. So sehr man mit W.F. Haug in vielen wesentlichen Punkten<br />
- der <strong>Theorie</strong>, der konkreten Gegenstandsanalyse, der politischen Praxis - differieren<br />
mag, ihn umstands los im »ideologischen Sumpf« der Bourgeoisie zu verorten, damit,<br />
zumindest implizit, zum blinden oder bewußten Funktionär des Kapitalinteresses und<br />
Wortführer antimarxistischer Strategien zu machen, geht nicht an. Zudem der Argumentationsgang<br />
mehr als brüchig ist. Aus Haugs Aussagen: heute sei »auf neue Art (00')<br />
die Auseinandersetzung mit dem Werk von Karl Marx (00') notwendiger denn je« und<br />
»alles Marxistische muß diesem Ziel dienen: Selbstvergesellschaftung der assoziierten<br />
Produzenten« die Folgerung zu ziehen, hier werde, in »Klartext übersetzt«, die Forderung<br />
nach Abschaffung des sozialistischen Staats und der marxistisch-leninistischen Partei<br />
erhoben, ist mehr als abenteuerlich (zumal diese Aussagen, zumindest ohne weiteren<br />
Kontext, für jeden Marxisten selbstverständliche Wahrheiten - im Grunde Trivialitäten<br />
- sein dürften). Buhrs Folgerung, zumindest an diesem Punkt, dürfte auch für den<br />
nicht mehr nacHvollziehbar sein, der (wie ich selbst) in der Tat im Argument seit geraumer<br />
Zeit eine Tendenz zur Favorisierung antikommunistischer Positionen mit Bestürzung<br />
zur Kenntnis nimmt und den - verbal durchaus noch erhobenen - Anspruch, an<br />
der Einheit der Linkskräfte unter Einschluß der Kommunisten zu arbeiten, mehr und<br />
mehr zerbröckeln sieht.<br />
So wie Buhr es tut, ist diesen Tendenzen jedoch nicht zu begegnen. Statt der Ex-Kathedra-Erklärung<br />
mit exkommunikativem Gestus müßte die sach- und textbezogene<br />
Analyse stehen. Mit Recht muß die Art und Weise, in der Buhr verfährt, von aufrechten<br />
Linken aller Couleurs als Anmaßung und Affront empfunden werden. So gehe auch ich<br />
- der ich mich unzweideutig und ohne aparte Einschränkung als Kommunist in der<br />
Bundesrepublik Deutschland, und <strong>das</strong> heißt »im Klartext«: als Mitglied der Deutschen<br />
Kommunistischen Partei bekenne - mit wesentlichen Argumenten von Erich Wulff<br />
konform (wobei es in diesem Zusammenhang unnötig ist, die Differenzen zu einzelnen<br />
Punkten zu notieren).<br />
(2) Um nicht mißverstanden zu werden: Ich teile Wulffs Kritik an Gestus und <strong>argument</strong>ativer<br />
Form wie auch einzelnen - nicht abgeleiteten oder unzureichend begründeten<br />
- inhaltlichen Schlußfolgerungen. Ich teile die Haugsche Konzeption eines sogenannten<br />
»pluralen Marxismus« und der entsprechenden »ökumenischen Haltung«<br />
nicht, ja halte diese Orientierung für die marxistischen Kräfte wie auch die Arbeiterbewegung<br />
insgesamt für falsch. Der Grund kann hier nur angedeutet werden: Der Einheit<br />
des internationalen Monopolkapitals kann in langfristiger Perspektive nur eine organisatorisch-politisch<br />
und ideologisch einheitliche Arbeiterbewegung mit Aussicht auf Erfolg<br />
Widerstand leisten (ideologische Einheit der wissenschaftlichen Weltanschauung ist -<br />
bitte sehr - in keiner Weise zu verwechseln mit »dogmatisch geschlossenem System«,<br />
schließt Dissenz in vielen Einzelfragen überhaupt nicht aus). Die auch von Wulff beschworene<br />
»Vielstimmigkeit« der Bewegung scheint mir, verstanden als per se positiver<br />
politischer Wert, illusorisch angesichts der geballten, in der Tat vereinheitlichten Gewalt<br />
des Kapitals, <strong>das</strong> sich heute anschickt, den gesamten Erdball zu unterwerfen, unter Einschluß<br />
des Risikos, alles Leben auf ihm zu vernichten. Die faktische weltweite Zersplitterung<br />
sozialistischer Kräfte ist nicht dadurch aufzuheben (eine solche Aufhebung ist ja<br />
* Stellungnahme zu Manfred Buhr, »Die Lehre von Marx und die bürgerliche Ideologie der Gegen<br />
wart« , in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 6/1983, und zu den Buhr-Interventionen in<br />
Argument 142, 143 und 145