das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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620 Besprechungen<br />
ausblenden... Ebendies kann man Machiavelli nicht vorwerfen. Er schreibt bündig:<br />
»Wenn (...) ein Land kriegerisch und von Parteiungen zerrissen ist, kann allein diese<br />
Einrichtung (regelmäßige Waffenübungen aller Bürger, H.M.) die Eintracht wiederherstellen.«<br />
(Vgl. 386) Machiavelli ist zwar kein »Militarist« (388), aber er erkennt, daß gerade<br />
in Republiken »alles (...) darauf ab(zielt), die Tapferkeit zu nähren, in den Monarchien,<br />
sie zu ersticken«. Denn: »Ein Volk, welches die Freiheit (...) erobert hat, braucht<br />
den Krieg.« (Vgl. 386)<br />
Michael Jäger (Berlin/West)<br />
Fischer, Klaus: Galileo Galilei. Verlag C.H. Beck, München 1983 (239 S., br., 19,80 DM)<br />
Offenbar eignet sich Galilei besonders als Projektionsfläche für die je eigene Sichtweise<br />
der neuzeitlichen Naturwissenschaft: Galilei als Vorkämpfer der Gedankenfreiheit gegen<br />
den Dogmatismus oder Galilei als Erbe der mittelalterlichen Bewegungslehre, Galilei als<br />
Vater der experimentellen Methode oder Galilei als Rationalist, der kaum je ein Experiment<br />
durchgeführt hat. Seit einigen Jahren führt man (u.a. Feyerabend) uns nun einen<br />
neuen Galilei vor: den listigen Propagandisten und Rhetoriker. Weil die Intellektuellen<br />
der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts nicht mehr so recht ans rationale Argumentieren<br />
glauben mögen, wird nun also an Galilei besonders seine Fähigkeit hervorgehoben,<br />
seine Gegner durch geschicktes, wenn auch unsachliches Argumentieren ins Hintertreffen<br />
zu bringen. Fischer legt diese (nun schon nicht mehr so ganz neue) Galilei-Interpretation<br />
im Taschenbuchforrnat in deutscher Sprache vor; Galilei erhält schlechte<br />
Noten oder auch schmunzelnde Bewunderung für seine raffmierten Tricks und »Überzeugungsstrategien«<br />
(z.B. 111, 133). Mit einem vorwiegend auf Methodologie fIxierten<br />
wissenschaftstheoretischen Ansatz läßt sich jedoch die Abhängigkeit der Argumentationen<br />
von einem Naturbild kaum angemessen erörtern.<br />
Das Buch enthält einen knappen tabellarischen Lebenslauf (17 Seiten) und konzentriert<br />
sich im übrigen auf Galileis intellektuelle Biographie. Fischers Leitgedanke ist dabei<br />
durchaus interessant: Er möchte Galilei nicht lediglich von seinem Beitrag zur positiven<br />
Wissenschaft darstellen, sondern zeigen, daß neue Entdeckungen zumeist nicht Ursache,<br />
sondern Folge unkonventionellen theoretischen Denkens, neuer Problemstellungen<br />
und neuer Sichtweise sind (34f.). Wenn Fischer freilich die Entdeckung der Jupitermonde<br />
als Beleg für diese These anführt (102), so steht dies im Gegensatz zu Galileis eigenem<br />
Bericht von der Entdeckung. Daß bei Fischer <strong>das</strong> Augenmerk nicht auf dem positiven<br />
Beitrag zur Wissenschaft liegt, führt dazu, daß die Discorsi, Galileis Hauptwerk<br />
zur Mechanik, nicht ausführlicher behandelt werden als De Motu, eine lediglich für Galileis<br />
biographische Entwicklung interessante Abhandlung.<br />
Fischer (der übrigens zeitweilig Assistent bei Hans Albert war) ist Soziologe und Wissenschaftstheoretiker,<br />
doch gewiß nicht ohne physikalische Kenntnisse. Dennoch unterlaufen<br />
ihm einige merkwürdige Fehler: Er spricht auch dort von »freiem« Fall, wo zweifellos<br />
der Fall in einem Medium gemeint ist (45, 46), und er behauptet hartnäckig (45,<br />
64, 66f., 202), daß man mit den klassischen Maschinen keine Kräfte sparen oder gewinnen<br />
könne - obwohl man diese Maschinen ja gerade deshalb benutzt (wenige Zeilen<br />
weiter findet sich denn auch die entgegengesetzte, richtige Feststellung).<br />
Fischers gelegentliche Angriffe gegen die gesamte bisherige Galilei-Forschung (66,95,<br />
105, 114) sollte man ruhig etwas niedriger hängen. So führt er als Beispiel für »Unklarheiten<br />
und merkwürdige Argumentationen« (105) der Wissenschaftshistoriker einen Teil<br />
einer These von Feyerabend an und zitiert dann - offenbar als Widerlegung! - einige<br />
der stärksten Argumente für Feyerabends These. An anderer Stelle wirft Fischer der<br />
»bisherigen Forschung« (95) die Vernachlässigung eines Textes vor, der ausgerechnet<br />
von Stillman Drake, dem wichtigsten Repräsentanten der gegenwärtigen Galilei-Forschung,<br />
in die Diskussion gebracht und veröffentlicht worden ist. Wie sehr Fischer ganz<br />
im Gegensatz zu seinem Gestus nach der (meist englischsprachigen) Sekundärliteratur<br />
DAS ARGUMENT 146/1984 CE,