das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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606 Kongreßberichte<br />
land) und den autoritären (Beispiel Ungarn). Den Austrofaschismus sah er als Mischform<br />
von deutschem und ungarischem Faschismus bei größerer Nähe zu letzterem.<br />
Erika Weinzierl (Wien) beschäftigte sich mit »Kirche und Politik in der Ersten Republik«.<br />
Sie konstatierte eine zunehmende Distanzierung der katholischen Kirche von der<br />
Demokratie und eine Hinwendung zu ständestaatlichen Vorstellungen, wie sie der Soziologe<br />
Othmar Spann an der Wiener Universität vertrat. Die österreichischen Bischöfe<br />
nahmen in Hirtenbriefen Stellung gegen den Sozialismus und verwarfen <strong>das</strong> sozialdemokratische<br />
Motto, daß die Religion Privatsache sei. Kardinal Pacelli, der spätere Pius<br />
XII., lehnte es ab, sich bei Dollfuß für die Opfer der klerikalfaschistischen Verfolgung<br />
einzusetzen, da nach seiner Meinung der österreichische Bundeskanzler bei diesen Maßnahmen<br />
als »treuer Sohn der Kirche« handelte. Wolfgang Maderthaner (Wien) wies in<br />
seinem Vortrag über »Sozialdemokratie und Wehrprobleme« darauf hin, daß die »Sozialdemokratische<br />
Arbeiterpartei Deutsch-Österreichs« bereits in der ersten Hälfte der<br />
zwanziger Jahre jede wirksame Kontrolle über <strong>das</strong> Militär verlor. Die Gründung des<br />
»Republikanischen Schutzbundes« im Jahre 1923 konnte <strong>das</strong> Manko nicht ausgleichen.<br />
Von Anfang an war der Schutzbund nicht nur als Gegengewicht gegen die reaktionären<br />
paramilitärischen Verbände gedacht, sondern auch als Instrument zur Disziplinierung<br />
der Arbeiter. Die organisatorische Trennung von Partei und Schutzbund wirkte passivierend<br />
auf die Sozialdemokraten außerhalb der Verteidigungsorganisation und entpolitisierend<br />
auf die Schutzbündler.<br />
lose! Hindels (Wien) ging unter dem Titel »Die Gewerkschaften im Kampf gegen den<br />
Faschismus« vor allem auf die Entwicklung nach 1934 ein. Er schilderte die Gründung<br />
von einheitlichen freien Gewerkschaften im Untergrund, die sich als überparteilich gegenüber<br />
Sozialisten und Kommunisten verstanden. Ferner beschrieb er die damalige Diskussion<br />
des Problems, wie sich die illegalen Gewerkschaften zu den offiziellen verhalten<br />
sollten. Hindels hielt die Position der Kommunisten, soweit wie möglich innerhalb der<br />
ständestaatlichen Gewerkschaften zu wirken, für richtig und sah sie durch <strong>das</strong> Ergebnis<br />
von Vertrauensleutewahlen bestätigt. In der Diskussion wurde unter anderem die Frage<br />
angesprochen, ob es sich bei den Februarkämpfen nur um eine Verteidigung der Demokratie<br />
oder auch um einen Kampf für den Sozialismus handelte. Dieser Aspekt erfuhr eine<br />
Ausweitung zu der Frage nach dem Sozialismusverständnis der österreichischen Sozialdemokratie<br />
einst und heute. Ferner kritisierte man die These von einer »Mitschuld«<br />
der Arbeiterbewegung am Untergang der Ersten Republik, die der Wiener Universitätsprofessor<br />
Norbert Leser, der ebenfalls am Symposion teilnahm, in einem Zeitungsartikel<br />
aufgestellt hatte. Hindels verwies auf den Unterschied zwischen den - teilweise gravierenden<br />
- Fehlern der Sozialdemokratie und der erklärten Absicht ihrer Gegner, Demokratie<br />
und Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Überhaupt sei der aus Religion und Strafrecht<br />
entlehnte Schuldbegriff in der Politik unangebracht.<br />
Bei einer Gesamteinschätzung ist positiv hervorzuheben, daß nicht nur Wissenschaftler<br />
eingeladen waren, sondern auch Zeitzeugen, deren Diskussionsbeiträge die Debatte<br />
auflockerten und manchen interessanten Aspekt enthielten. So erwähnte der Arzt und<br />
ehemalige Spanienkämpfer lose! Schneeweiss die ermutigende Wirkung, die vom Widerstand<br />
in Österreich ausging: In jedem katalonischen Dorf wußte man vom 12. Februar,<br />
und ein Bataillon der Internationalen Brigaden war nach diesem Datum benannt.<br />
Gustav Auernheimer (Marburg)<br />
DAS ARGUMENT 146/1984 CE