02.03.2014 Aufrufe

das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

540 Jost Hermand<br />

zwanziger Jahre,6 war als nationalbewußter Theaterkritiker, Kunst journalist<br />

und Publizist im Gefolge der »Machtergreifung« zu den Nazis übergegangen<br />

und hatte in seiner seit 1932 immer wieder aufgelegten Literaturgeschichte<br />

Dichtung der Deutschen nicht nur <strong>das</strong> »Lebendige« gegen »<strong>das</strong> Starre«, <strong>das</strong><br />

»Organische« gegen <strong>das</strong> »Mechanistische«, <strong>das</strong> »Volkhafte« und »wesenshaft<br />

Blutmäßige« gegen <strong>das</strong> »Undeutsche« verteidigt, sondern auch die Schriften<br />

Hitlers und Rosenbergs als Meisterwerke deutscher Prosa und die Lieder der<br />

SA als Höhepunkte deutscher Lyrik gepriesen. Kein Wunder daher, daß ein<br />

solcher Mann 1955 zu seinem 75. Geburtstag <strong>das</strong> Große Bundesverdienstkreuz<br />

und eine Festschrift erhielt, zu deren Beiträgern unter anderem Wilhelm von<br />

Scholz, Rudolf Alexander Schröder, Romano Guardini, Gottfried Benn, Agnes<br />

Miegel, Peter Bamm, Friedrich von der Leyen, Bernt von Heiseler und<br />

ähnliche Edelfaschisten oder Vertreter einer höchst problematischen Inneren<br />

Emigration gehörten'? In der DDR nahm damals Günther Cwojdrak8, in der<br />

Bundesrepublik Harry Pross9 diese Festschrift zum Anlaß, um in polemischer<br />

Form auf Fechters braune Vergangenheit hinzuweisen. So weit leuchtet alles<br />

völlig ein. Aber warum kleidet ein alter Völkischer und Nazi wie Paul Fechter<br />

in diesem Roman seine neokonservativen bis faschistischen Ideen ausgerechnet<br />

in Matriarchatsvorstellungen ein und unterstellt <strong>das</strong> neue Deutschland einer<br />

Frauenpartei? Beruhten nicht die neokonservativ-faschistischen Ideologien<br />

fast ausnahmslos auf militanten Männerbund-Konzepten oder zumindest<br />

handfesten patriarchalischen Gesinnungen, die keinen Zweifel an der weiterbestehenden<br />

Unterdrückung der Frauen ließen?<br />

Das stimmt schon. Aber der Faschismus war eben keine logische, kohärente<br />

Ideologie, die nur auf dem Prinzip des »Entweder-Oder« beruhte. Zugegeben:<br />

Es gibt schon einige Kernpunkte der faschistischen Ideologie (wie etwa den<br />

Antisemitismus), an denen sich nichts deuteln läßt. Aber sonst? Waren nicht<br />

die Faschisten einerseits für die Beibehaltung des Christentums und andererseits<br />

für die Einführung einer Religion der Deutschgläubigkeit, feierten sie<br />

nicht Weihnachten und zugleich Julklapp, priesen sie nicht die bürgerliche <strong>Institut</strong>ion<br />

der Ehe ebenso energisch wie bewußt ehenegierende Anstalten wie<br />

»Lebensborn«, forderten sie nicht die Rückkehr zur Scholle und kurbelten<br />

dennoch einen rasanten Aufbau der deutschen Schwer- und Rüstungsindustrie<br />

an, der zu einer Landflucht ohnegleichen führte?IO Diese Ambivalenz hängt<br />

zum Teil mit der taktischen Erwägung vieler führenden Nationalsozialisten zusammen,<br />

die Mehrheit der Bevölkerung erst einmal mit konventionellen Vorstellungen<br />

an sich zu binden und sie erst später mit den wesentlich radikaleren<br />

Fernzielen des Faschismus vertraut zu machen. Doch diese Ambivalenz geht<br />

zugleich auf den zutiefst irrationalen Charakter der faschistischen Ideologiebildung<br />

zurück, die sich in ihrer aufdringlichen Betonung religiöser, schicksalshafter,<br />

ritueller, kultischer, sakraler, mythischer Elemente jeder rationalen Interpretation<br />

von vornherein zu entziehen suchte. Und in diesem Bereich des<br />

Kultischen, Rituellen und Mythischen ließ der Fas{;hismus - bei aller Akzentuierung<br />

des Führerprinzips, der Männerbündelei und des Patriarchats - auch<br />

<strong>das</strong> Konzept des Matriarchats zu und versuchte, es in den Dienst seiner biologisierten<br />

Geschichtssicht und rassenzüchterischen Ideen zu stellen. Schließlich<br />

DAS ARGUMENT 146/1984 ©

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!