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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Interventionen 599<br />

auch erklärtes Ziel des Argument), daß man ihr durch den Begriff des »Pluralen« noch<br />

die theoretische Weihe gibt. In diesem entscheidenden Punkt der notwendigen politischideologischen<br />

Einheit der Bewegung vertrete ich prinzipiell keine andere Position als<br />

Buhr selbst, wende mich allerdings gegen dessen offenkundige Unterschätzung des realen<br />

Problems einer faktisch existenten zerrissenen Vielgestalt sozialistischer Kräfte und<br />

wende mich gegen jede Denunziation alternativer Strategien der Problemlösung (auch<br />

da, wo ich diese für einen Irrweg halte). Denn als eine solche Strategie sehe ich die Konzeption<br />

des pluralen Marxismus an; deutlich erkennbar in seinem sozialen Ursprung (wie<br />

auch der komplementäre Begriff des »Projekts Sozialismus«): nicht der Arbeiterbewegung<br />

entwachsen, sondern dem Boden der Universität - ein Marxismus des Philosophischen<br />

Seminars, ein keineswegs untypisches (und auch nicht sonderlich originelles) Intellektuellenkonstrukt.<br />

In diesem entscheidenden Punkt des »pluralen Marxismus« also leidenschaftlicher<br />

Dissens mit Haug - ein Dissens, der gleichwohl <strong>argument</strong>ativ (und <strong>das</strong> heißt durchaus:<br />

unter Einschluß von Polemik) entschieden werden muß. In anderen Punkten allerdings<br />

notiere ich Konsens: So auch mit dem von Buhr inkriminierten Satz, daß der Marxismus<br />

nicht nur Sache von Parteien sei (wobei ich <strong>das</strong> Wörtchen nur unterstreichen möchte)­<br />

wenn auch die politische Organisation in einer Partei der Arbeiterklasse ein Essential des<br />

Marxismus ist und bleibt.<br />

(3) Fraglos ist also auch über den Begriff des Marxismus zu streiten. Ich selbst möchte<br />

für einen möglichst präzisen (und <strong>das</strong> heißt aber auch relativ engen) Marxismusbegriff<br />

plädieren. Es gibt zu denken, daß Haug nirgendwo präzise (so weit ich sehe - ich lasse<br />

mich da gern belehren) den Marxismusbegriff expliziert. Ich vermute, daß hier einfach<br />

der gute, alte, weite Begriff des Sozialismus nun durch den (gegenwärtig stark emotional<br />

besetzten) Begriff des Marxismus ersetzt wird - wobei dann dieser auch noch als Inbegriff<br />

alles Guten, Wahren, Schönen und überhaupt Progressiven herhalten muß. In der<br />

Tat: Von einem pluralen Sozialismus zu reden ist durchaus historisch und aktuell sinnvoll;<br />

denn es gab immer deutlich unterschiedene (und sich selbstbewußt voneinander U!1-<br />

terscheidende) Positionen in der Arbeiterbewegung mit sozialistischer Zielsetzung (Kriterium<br />

für diese: Aufhebung kapitalistischer Produktionsverhältnisse, Herstellung sozialistischer).<br />

Den Marxismusbegriff jedoch nur als vages Konzept zu handhaben zur Bezeichnung<br />

radikal sozialistischer oder sozialistisch-revolutionärer Positionen allgemein,<br />

halte ich für wissenschaftlich wie politisch wenig sinnvoll. Wenn Eric Hobsbawm (der in<br />

den zur Debatte stehenden Fragen sicher dem Argument näher steht als der DKP) in<br />

Marxism Today (März 1984) schreibt: »Marxists and other left-wing socialists - for many<br />

of them can hardly be regarded as Marxists, even when, as today, they advertise<br />

themselves as such (...)«, so trifft er eine Unterscheidung, die meines Erachtens völlig<br />

einleuchtend ist und sicher auch beim Argument auf wenig Widerspruch stoßen sollte<br />

(man kann doch nicht im Ernst sagen: Marxist ist, wer sich für einen Marxisten hält).<br />

Kommt diese Unterscheidung jedoch aus dem Munde eingefleischter Kommunisten, so<br />

wird sie sogleich als abschreckendes Beispiel des bornierten Dogmatismus rezipiert (wie<br />

auch in H. Ridders Kommentar zu H. Jung und W. Schwarz in Argument 143, 9).<br />

Ich jedenfalls plädiere für einen präzisen und vergleichsweise engen Marxismusbegriff;<br />

einen Begriff, der - nach klaren Kriterien - eine erkennbare politische und wissenschaftliche<br />

Position unter anderen bezeichnet, jedoch ohne dieser Position quasi automatisch<br />

irgendein Wahrheits- und Wert privileg zuerkennen zu wollen. Welche Position<br />

im »pluralen« Spektrum konkurrierender Auffassungen zu einem bestimmten historischen<br />

Moment die »wahrere«, »bessere«, adäquatere ist, hat sich allein durch die<br />

Praxis zu beweisen. Es ist auch dies, mit Marx, »keine Frage der <strong>Theorie</strong>, sondern eine<br />

praktische Frage« (Feuerbach-Thesen). Ich möchte dafür sprechen, den Begriff marxistisch<br />

an bestimmte, genau zu definierende Inhalte zu binden: an die politische Orientie-<br />

DAS ARGC\1ENT 1461I984s

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