das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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642 Besprechungen<br />
etwa des Falkland-Kriegs konstatierte, wird hier mit einer verblüffenden neuen Schlußfolgerung<br />
konfrontiert: Gerade weil es den »Staatsgewalten des demokratischen WestellS«<br />
auf den »weltweiten Erfolg derjenigen unter ihren Bürgern« ankomme, »von denen<br />
ihre Volkswirtschaft unmittelbar praktisch abhängt«, sei die Freiheit der politischen<br />
Gewalt von den ökonomischen Erfordernissen des Geschäftslebens »notwendig«. Wegen<br />
seines »Dienstes am privaten Geschäft« sei »die Erhaltung der Nation«, <strong>das</strong> heißt<br />
seiner politischen Handlungsfähigkeit, oberstes Ziel des Staates. Die Autoren rekurrieren<br />
auf Marx' Auffassung, der Staat sei »ideeller Gesamtkapitalist«, dessen erfolgreiche<br />
Gewalt zur »ökonomischen Potenz« werde: »Geschäft« im politischen Sinn ist demnach<br />
die »Sicherstellung der 'Kooperationswilligkeit' fremder Souveräne, die prinzipielle Garantie<br />
der Benutzbarkeit ihrer hoheitlichen Gewalt im eigenen Interesse« (71).<br />
So schlicht diese Ausgangsüberlegung erscheinen mag, die Unterscheid~ng des Gewinns,<br />
der den Materialismus eines politischen Vertreters der nationalen Ökonomie befriedigt,<br />
von dem Gewinn eines Kapitalisten erschließt eine - im Vergleich zum additiven<br />
Verfahren multifaktorieller Analysen - systematische politökonomische Erklärung<br />
der internationalen Beziehungen. Staaten bilanzieren keine Profite, sondern Währungsüberschüsse:<br />
Von dieser Warte aus analysieren die Verfasser den Weltmarkt als Ensemble<br />
zwischenstaatlicher Erpressungsverhältnisse, deren Instrumentarium mit den wichtigsten<br />
Verlaufsfonnen von Währungs- und Handelspolitik, Kapitalexport, Kreditvergabe<br />
und Entwicklungshilfe ausführlich zur Sprache kommt - bis hin zur De-facto-Regierung<br />
des Internationalen Währungsfonds über Drittweltländer und militärischer Gewaltandrohung<br />
gegen geschädigte Staaten zur Verhinderung von Sanktionen bzw. Abbruch<br />
der wirtschaftlichen Beziehungen.<br />
Zwischen den Weltmarktkonkurrenten von Gewicht betrachten die Verfasser den Einsatz<br />
4es Militärs als storniert: Sie hätten sich in der NATO zusammengeschlossen zu dem<br />
ihrer nationalen Politik übergeordneten Zweck, die Ausnahme vom Weltmarkt, den<br />
»Ostblock«, den Prinzipien freiheitlicher Herrschaft zu subsumieren. Der »defensiven<br />
Weltmacht« UdSSR wird vorgehalten, daß sie angesichts der ökonomischen, diplomatischen<br />
und militärischen »Erpressungsmanöver« der Staaten des Freien Westens den<br />
idealistischen Wunsch nach einem friedlichen Nebeneinander mit den »imperialistischen<br />
Demokratien« durch die ausgedehnte Praktizierung von Handel und diplomatischen<br />
Beziehungen hochhalte. Daß auch in der UdSSR <strong>das</strong> Volk die Kosten trägt - wenn<br />
auch ironischerweise für eine Politik des guten Willens - steht für die Autoren außer<br />
Frage. - In gewisser Weise löst »Krieg und Frieden« den programmatischen Anspruch<br />
von Lenins Schrift »Der Imperialismus als höchstes Stadium des KapitalismuS« (der ein<br />
ganzes Kapitel gewidmet ist) theoretisch ein, insofern die über die westlichen Staaten vermittelte<br />
weltweite Tätigkeit analysiert wird, ohne daß zu agententheoretischen Argumentationsmustern<br />
von übermächtigen Kapitalfraktionen gegriffen würde. »Krieg und<br />
Frieden« ist ein Buch für zeitgeschichtlich und ökonomisch Interessierte, für Politologen<br />
und Drittwelttheoretiker, vor allem aber für alle, die wissen wollen, was ökonomisch<br />
und politisch, militärisch und diplomatisch im Frieden geschieht, so daß in ihm schon<br />
beständig mit dem Krieg kalkuliert wird.<br />
Martin Loiperdinger (Kassel)<br />
Silbermann, Alphons: Sind wir Antisemiten? Ausmaß und Wirkung eines sozialen Vorurteils<br />
in der Bundesrepublik Deutschland. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1982<br />
(231 S., br., 26,- DM)<br />
Auch wenn er die weltanschaulich-marxistischen Prämissen Adornos und seiner zeitgenössischen<br />
Mitarbeiter nicht teilt: der streitbare Kölner Soziologie und Massenkommunikationsforscher<br />
Alphons Silbennann ist wohl der einzige, der in der Bundesrepublik<br />
die Tradition des einstmals berühmten Frankfurter <strong>Institut</strong>s für Sozialforschung fortsetzt,<br />
im Hinblick auf die Untersuchung des sozialen Vorurteils Antisemitismus in unse-<br />
DAS ARGUMENT 146/1984 ©