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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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628 Besprechungen<br />

zit bezieht, verschwinden nahezu völlig. Ebenso unklar bleibt die Rolle von gesellschaftlichen<br />

<strong>Institut</strong>ionen der Disziplinierung und ihre Rolle bei der Literaturvermittlung (91).<br />

Es ist von daher nicht verwunderlich, daß Wild unter den verschiedenen Funktionen, die<br />

er der Literatur zuschreibt, nicht die ideologische (beispielsweise als - unter bestimmten<br />

Umständen - mögliche Kombination der stabilisierenden Funktionen) aufführt und<br />

analysiert. Vor allem entgehen ihm die klassenspezifische Aneignung von Literatur und<br />

die mit ihr einhergehenden sozialen Ausgrenzungsprozesse. Wenn zum Beispiel umstandslos<br />

davon die Rede ist, die Literaturkritik fmde ihre Maßstäbe in den »jeweils<br />

fortgeschrittenen [literarischen] Zeugnissen« (97), so wäre doch zunächst zu fragen, wer<br />

denn nun feststellt, welcher Text warum fortgeschritten bzw. gelungen ist. Statt eines<br />

idealistischen Rekurses auf Kant hätte dem Autor ein materialistischer auf Bourdieu gut<br />

angestanden (vgl. La distinction. Critique social du jugement, 1979, dt. 1982). Trotzdem:<br />

Wilds Untersuchung gehört zu den wenigen (im Entwurf und vielen Einzelbeobachtungen)<br />

anregenden Arbeiten selbst<strong>kritische</strong>r - allerdings idealistischer - Literaturwissenschaft<br />

der letzten Jahre. Sie muß bei dem noch ausstehenden Versuch einer materialistischen<br />

Funktionsbestimmung von Literatur »im Prozeß der Zivilisation« herangezogen<br />

werden.<br />

Der Wert des zweiten zu besprechenden Buches ist weitaus geringer. Erkenntnis der<br />

Literatur - laut Verlagsmitteilung »in erster Linie als umfassendes Arbeitsbuch für fortgeschrittene<br />

Student/inn/en der literaturwissenschaftlichen Fächer konzipiert und geschrieben«<br />

- versammelt die folgenden Beiträge: »Unmaßgebliche Vorstellung einiger<br />

literaturtheoretischer Grundbegriffe«, »Ästhetische Erfahrung«, »<strong>Theorie</strong> der literarischen<br />

Produktion«, »Literarische Kritik«, »Textkritik«, »Textauslegung« , »Literatursoziologie/Textsoziologie«,<br />

»Literaturgeschichte/Literaturgeschichtsschreibung«, »Komparatistik«,<br />

»Literarische Kommunikation«, »Empirische Literaturwissenschaft«, »Literatur-<br />

und Medienwissenschaft« und »Fachgeschichte und Standortbestimmung«. Insofern<br />

ist der Band Symptom der »Tendenz zu Synthesen« (342), die er selbst diagnostiziert.<br />

Einem topisch gegliederten Handbuch, dessen Einzelbeiträge von verschiedenen<br />

Autoren gestaltet werden, vorzuwerfen, es präsentiere nicht eine durchgängige Methode,<br />

scheint müßig, ist allerdings in diesem Fall nicht überflüssig, weil hier der Pluralismus<br />

zwar einerseits zum Programm erhoben, jedoch andererseits nicht durchgehalten wird:<br />

Materialistische Ansätze werden entweder mit der Kennzeichnung »orthodox« (65,<br />

208f.) oder dem Vorwurf »Interesse verstellt Erkenntnis« (224) abqualifiziert. Aber erreicht<br />

<strong>das</strong> Handbuch überhaupt <strong>das</strong> sich selbst gesteckte Ziel, »Teil des fachwissenschaftlichen<br />

Grundlagengesprächs und der literaturwissenschaftlichen Methodenlehre«<br />

(7) zu sein? Zweifel sind angebracht: Nicht nur wird <strong>das</strong> überwiegend hohe Abstraktionsniveau<br />

selbst fortgeschrittene Student/inn/en verschrecken, auch die mangelhafte<br />

Durchdringung und Aufbereitung komplexer Problemzusammenhänge durch die Autoren,<br />

ihr Schwanken zwischen (nicht Abwägen von) einzelnen theoretischen Positionen,<br />

ihr Sich-Verlieren in den Kontroversen, die sie doch transparent machen müßten, ist erschreckend<br />

(vgl. 56ff., 133ff.)<br />

Zugegebenermaßen summarisch sei festgestellt: Brauchbar sind Teile der Artikel über<br />

»Literaturtheoretische Grundbegriffe« und »Literarische Kommunikation« (weil sie leisten,<br />

was der Buchtitel verspricht: »Erkenntnis der Literatur« wird ermöglicht). Auch<br />

<strong>das</strong> Kapitel über »Literarische Kritik« ist konzis und informativ; die Überlegungen zur<br />

»Literatursoziologie/Textsoziologie«, die ein präziseres Aufsuchen und -fmden des Gesellschaftlichen<br />

in den Texten vorantreiben wollen, leuchten ein; der Abschnitt »Literaturgeschichte/Literaturgeschichtsschreibung«<br />

erfreut durch seine überlegte Strukturierung<br />

und weitgehend abWägende Argumentation; ausgesprochen ärgerlich dagegen ist<br />

der platte Antikommunismus im Beitrag »Literatur- und Medienwissenschaft« (301),<br />

der zudem Medienforschung literaturwissenschaftlich betreiben will - eine unzulässige<br />

DAS ARGUMENT 146/1984 ©

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