das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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DAS ARGUMENT 146/1984 ©<br />
Die Zweideutigkeit des Kapitals gegenüber dem Faschismus 529<br />
nicht allzu beliebt sind. Dabei versteht es sich fast von selbst, daß Gesetzmäßigkeiten<br />
des Faschismus nicht allein durch Betrachtung des N8-Regimes zu<br />
ermitteln sind, sondern zumindest noch der italienische Faschismus als weiteres<br />
»klassisches« Exempel hinzugezogen werden sollte. Dennoch waren von<br />
1933 bis heute »Faschismus-<strong>Theorie</strong>n« ganz überwiegend <strong>Theorie</strong>n über den<br />
Nationalsozialismus. Seitenblicke auf Italien blieben oft beiläufig und lediglich<br />
illustrativ; nur selten wurde der Vergleich intensiv und als Weg zu neuen Erkenntnissen<br />
betrieben.8<br />
Vom Standpunkt der empirischen Geschichtsforschung aus wäre die Anwendung<br />
der vergleichenden Methode noch dringender als vom Standpunkt<br />
der <strong>Theorie</strong>. Wolfgang Schieder wundert sich mit Recht über die Vernachlässigung<br />
des Vergleichs zwischen Deutschland und Italien;9 aber auch der von ihm<br />
herausgegebene Sammelband ))Faschismus als soziale Bewegung - Deutschland<br />
und Italien im Vergleich« enthält nur Beiträge entweder zu dem einen<br />
oder zu dem anderen Land. Schieder selbst tat in der Folge den über Italien<br />
hinausgreifenden ))Faschismus«-Begriff als ))sinnlosen Allerweltsbegriff« ab.10<br />
Unter Historikern ist die Meinung verbreitet, die eklatanten Unterschiede zwischen<br />
dem italienischen und dem deutschen Faschismus seien ein deutlicher<br />
Beweis dafür, daß der allgemeine ))Faschismus«-Begriff Humbug sei. Aber<br />
nicht einmal ein derartiger Gegenbeweis ist bisher ernsthaft geführt worden.<br />
Kein Zweifel, ein Vergleich der Faschismen stellt <strong>das</strong> Bemühen um eine generelle<br />
Faschismus-<strong>Theorie</strong> vor erhebliche Probleme, und zwar gerade dann,<br />
wenn die <strong>Theorie</strong> eine ökonomische Substanz haben soll: Denn die Wirtschaftsstrukturen<br />
Deutschlands und Italiens weisen erhebliche Unterschiede<br />
auf. Den Allgemeinbegriff ))Faschismus« überhaupt fallenzulassen, würde<br />
freilich bedeuten, sich in einen engen Definitionsrigorismus zu verrennen,<br />
dem, wenn man konsequent weiterginge, auch viele andere unentbehrliche Begriffe<br />
der Sozialwissenschaften zum Opfer fallen müßten. Dennoch besteht der<br />
Wert des Faschismus-Vergleichs nicht zuletzt darin, daß er darauf hinweist,<br />
daß die Frage noch zu klären ist, welchen Grad von Eindeutigkeit, Identität<br />
und innerer Stringenz man von ))Faschismus« erwarten darf, und wieweit es<br />
sinnvoll ist, ))Faschismus-<strong>Theorie</strong>« als einen Denkansatz eigener Art auszubilden.<br />
Togliatti legte in seinen ))Lektionen über den Faschismus« um 1934 großen<br />
Wert darauf, ))daß man den Faschismus niemals als etwas definitiv Feststehendes<br />
betrachten darf, sondern daß er immer in seiner Entwicklung gesehen<br />
werden muß«l1: Das war eine Erkenntnis, die aus der praktischen Erfahrung<br />
des antifaschistischen Kampfes kam und ihren praktischen Wert in der<br />
Folge unter Beweis stellte. Die Wandelbarkeit von Faschismus sollte bei allem<br />
faschismustheoretischem Interesse nicht übersehen werden: Man würde sonst<br />
eine Lehre aus der Geschichte vergessen, die auch in Zukunft wieder praktische<br />
Bedeutung gewinnen könnte.<br />
Der Vergleich mit Italien weist nicht zuletzt auch darauf hin. daß es eine<br />
Sackgasse ist, den Faschismus einem ganz bestimmten Stadium der kapitalistischen<br />
Entwicklung - und gar noch innerhalb dieses Stadiums einer bestimmten<br />
))Kapitalfraktion« - zuordnen zu wollen. Als eine Sackgasse erscheint daher<br />
auch <strong>das</strong> beliebte Rätselraten, ob Faschismus etwas mit ))archaischen« Re-