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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Kongreßberichte 613<br />

werden. Der NFU-Report berechnet die sich daraus ergebenden Mehrkosten auf etwa<br />

100 Milliarden Dollar über sechs Jahre (also jährlich zusätzlich 21170 gegenüber dem ge-­<br />

genwärtigen NATO-Budget).<br />

Die Kritik an dieser NFU-Konzeption kommt von zwei verschiedenen Seiten. Die Anhänger<br />

der gültigen NATO-Doktrin, in Loccum vertreten durch Oberst LG. Volker<br />

Glatt (Leiter des Referats für Militärpolitik im Bundesministerium der Verteidigung),<br />

Oberst i.G. Dieter Kellein (Leiter des Referats für Abrüstung im Bundesministerium der<br />

Verteidigung), Dr. Wilfried A. Hofmann (Director of Information bei der NATO in<br />

Brüssel) und Paul Molineaux (1. Sekretär der politischen Abteilung der Botschaft der<br />

USA in Bonn), betonen vor allem, daß ein Verzicht auf die nukleare Option einen Krieg<br />

(insbesondere in Europa) »wieder möglich« (Glatt) mache: Denn eine rein konventionelle<br />

Abschreckung sei wesentlich weniger wirksam als eine nukleare; <strong>das</strong> Risiko für einen<br />

Angreifer werde kalkulierbar, insbesondere, wenn er auf konventionellem Gebiet ohne-­<br />

hin deutlich überlegen sei. Ein solcher Krieg könne allein mit konventionellen Waffen<br />

aber nicht zu dem wünschenswert schnellen Ende geführt werden. Außerdem könnte die<br />

Annahme einer No-First-Use--Doktrin zur Abkoppelung der USA von Europa führen,<br />

eine kriegerische Auseinandersetzung auf Europa begrenzbar und damit wahrscheinlicher<br />

machen und die strategische Einheit der Allianz in Frage stellen. Deswegen müßten<br />

gerade die europäischen Länder und besonders die Bundesrepublik Deutschland auf der<br />

Beibehaltung der Flexible--Response--Doktrin bestehen. Das Ziel der Abschreckungsstrategie<br />

bestehe schließlich darin, jeden Krieg und nicht nur einen Atomkrieg zu verhindern.<br />

Deshalb habe die NATO am 10. Juni 1982 auch auf den Ersteinsatz von Waffen<br />

überhaupt (und nicht speziell von Atomwaffen) verzichtet.<br />

Eine andere (in sich heterogene) Gruppe von Rednern schließlich unterstützte die Kritik<br />

an der flexiblen Erwiderung, ohne aber die Konzeption der Union of Concerned<br />

Scientists für hinreichend zu halten oder alle Konsequenzen zu teilen. Innerhalb der NA­<br />

TO bedenke man nicht oder nur völlig unzureichend den immer weniger auszuschließenden<br />

Fall, daß die Abschreckung versage (so z.B. Klaus Haefner, Informatik, Universität<br />

Bremen; unter medizinischen Gesichtspunkten Prof. Walfried Linden, Psychiatrische<br />

Universitätsklinik Hamburg). Dr. Lutz Unterseher (Studiengruppe Alternative Sicherheitspolitik,<br />

Bonn, Unterzeichner des NFU-Reports) <strong>argument</strong>ierte, es gebe keine konsistente<br />

Flexible--Response--Philosophie, gegen die man eine andere eintauschen könnte.<br />

Vielmehr seien drei untereinander unvereinbare Schulen einen unbehaglichen Kompromiß<br />

eingegangen. Das westdeutsche militärisch-politische Establishment wolle unter allen<br />

Umständen einen Krieg von westeuropäischem und insbesondere deutschem Boden<br />

fernhalten und habe sich für den Fall des Scheiterns ein Denkverbot auferlegt. Innerhalb<br />

des Pentagon stünden Befürworter der nuklearen Kriegsführung (Atomwaffen sollen<br />

handhabbar sein) Vertretern der konventionellen Vergeltung (Atomwaffen nur als ultima<br />

ratio) gegenüber, weshalb angesichts des Veraltens der deutschen Position (s. Kießling)<br />

die Doktrin der flexiblen Erwiderung praktisch bereits außer Kraft seL An dem<br />

NFU-Vorschlag wurde durchweg die damit verbundene konventionelle Aufrüstung kritisiert,<br />

die politisch weder tragbar noch durchsetzbar sei und im übrigen auch nicht fmanziert<br />

werden könne. Karsten D. Voigt (Außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion,<br />

Bonn) plädierte für eine langfristige gemeinsame Vertragspolitik zwecks Ausbau einer<br />

Sicherheitspartnerschaft, die durch einseitige Schritte nicht ersetzt werden könne. Otto<br />

Schily (Sprecher der Fraktion »Die Grünen«, Bonn) forderte demgegenüber den Abbau<br />

sämtlicher Waffensysteme, die zum Ersteinsatz geeignet, mindestens aber aus gegnerischer<br />

Sicht dazu bestimmt sind, und sah in der Existenz der beiden militärischen Blöcke<br />

keine Sicherheits-, sondern eine Aufrüstungsgarantie.<br />

Die Diskussion unter gut 150 Tagungsteilnehmern - von pensionierten Generalen<br />

über aktive Angehörige der militärischen Administration, Soldaten, Vertreter verschie--<br />

DAS ARGUMENT 146/1984 ©

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