das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Ökologische Wirtschaft - <strong>Theorie</strong>n und Strategien 593<br />
nologie. Arbeit als soziale Kategorie des Klassenkonflikts werde unter Einfluß<br />
der modernen Technologie transformiert und stelle nicht mehr den Kristallisationspunkt<br />
der Identität des Industriearbeiters dar (Gorz 1980). Die Entwicklung<br />
einer »Nicht-Klasse der Nicht-Produzenten«, die die Arbeiterklasse ablöst,<br />
macht den gesellschaftstheoretischen Gebrauch des Begriffs der Arbeit<br />
selbst fragwürdig. Auf der Produktionsseite korrespondiert damit ein technologischer<br />
Trend, der eine derartige Spezialisierung sozialer Funktionen erzwingt,<br />
daß deren negative Folgen jeden gesellschaftlichen Nutzen der Produktion<br />
selbst übersteigen. Illich greift diesen Gedanken auf und stellt ihn unter<br />
sozialethische Imperative: »Mir scheint eine neue Technik dann und nur<br />
dann einen Fortschritt darzustellen, wenn sie ein größeres Gleichgewicht zwischen<br />
zwei einander ergänzenden Arten der Gerechtigkeit ermöglicht: auf der<br />
einen Seite die Gleichheit im Zugang zu den Produkten und Ressourcen der<br />
Gesellschaft (gerechte Verteilung der knappen Mittel) und auf der anderen Seite,<br />
in gleichberechtigter Weise, einen gleichen Autonomiebereich aller in der<br />
Gebrauchswerte-Produktion selbst (partizipative Gerechtigkeit). Dagegen erscheinen<br />
mir technologische Fortschritte als politischer Rückschritt, wenn sie<br />
zwangsläufig eine Machtanhäufung in einer dieser beiden Gerechtigkeitsdimensionen<br />
mit sich bringen, <strong>das</strong> heißt, wenn die Sachzwänge einer Technologie<br />
entweder die gleiche Verteilung des Wohlstandes oder die Gleichheit in der<br />
Ausübung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten verunmöglichen.«<br />
(Illich 1979, 80f.) Das neue System gesellschaftlicher Unterdrückung manifestiere<br />
sich im Verhältnis von Schattenarbeit zu Lohnarbeit. Die Entkopplung<br />
der produktiven Tätigkeit von der Lohnarbeit fordert die Durchsetzung eines<br />
neuen gesellschaftlichen Anspruchs: dem »Recht auf schöpferische Arbeitslosigkeit«<br />
(Illich 1978). Schöpferische Arbeitslosigkeit wird zum Werkzeug einer<br />
gebrauchswertorientierten »Modernisierung der Subsistenz« (Illich 1979, 81),<br />
die die Schattenwirtschaft aus ihrer Vereinahmung lösen soll.<br />
IV. Das Projekt »Arbeit in einer ökologisch orientierten Wirtschaft«<br />
Im Rückblick auf die Literaturübersicht wird deutlich, daß eine konkrete systematische<br />
Analyse der Arbeit in einer ökologieverträglichen Ökonomie noch<br />
aussteht. Unser Interesse richtet sich dabei auf fünf zentrale Fragen: (1) Was<br />
heißt »ökologisch orientierte Wirtschaft«? Ist in hochindustrialisierten Ländern<br />
eine ökologisch verträgliche Wirtschaftsweise überhaupt möglich? (2)<br />
Was bedeutet ein ökologisch orientiertes Wirtschaftssystem für (a) die Menge<br />
der gesellschaftlich notwendigen Arbeit und damit für <strong>das</strong> Problem der Arbeitslosigkeit<br />
und (b) für die Gestaltung und die Inhalte der Arbeitstätigkeit?<br />
(3) Wie ist eine Umstrukturierung der Wirtschaft in Richtung auf eine ökologische<br />
Orientierung zu leisten? Braucht es ein höheres Volumen staatlicher Gelder?<br />
(4) Wie kann in einer ökologischen Wirtschaft eine stärkere Partizipation<br />
der betroffenen Arbeitnehmer an Entscheidungsprozessen realisiert werden?<br />
(5) Welches sind die Auswirkungen einer ökologisch orientierten Umstrukturierung<br />
der Wirtschaft in den Industrienationen auf die Länder der Dritten<br />
Welt? (S. auch die Projektbeschreibung in den Öko-Mitteilungen 5/1982,<br />
35-39).<br />
DAS ARGUMENT 14611984 :9