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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Soziologie 643<br />

vor der betroffenen jüdischen Minorität selbst: »So wie andere ethnische Minderheiten<br />

in der Bundesrepublik, in Frankreich, in England oder in den Vereinigten Staaten, auf<br />

ihren Rechten bestehend, eine militante Haltung gegenüber sie betreffenden gefahrvollen<br />

Vorurteilen einnehmen, müßten sich darauf auch die jüdische Minoritätengruppe<br />

und ihre Funktionäre besinnen. Schließlich dürften die Juden und ihre Vertreter nur allzu<br />

bitter gelernt haben, daß schnell auf die andere Seite der Straße gehen, wenn einem<br />

auf der eigenen Seite ein SA-Mann entgegenkommt, noch nie vor tödlicher Gefahr bewahrt<br />

hat.« (142)<br />

Siegfried Zielinski (Berlin/West)<br />

Cabral, Amilcar: Die <strong>Theorie</strong> als Waffe. Schriften zur Befreiung in Afrika. CON Medien-<br />

und Vertriebsgeselischaftm.b.H. (edition con), Bremen 1983 (324S., br., 19,80 DM)<br />

Amilcar Cabral muß zu den bedeutendsten Theoretikern Afrikas gerechnet werden. Als<br />

er am 20. Januar 1973 in Conakry durch Agenten des portugiesischen Geheimdienstes<br />

PIDE ermordet wurde, verlor die nationale Befreiungsbewegung Guinea-Bissaus und<br />

der Kapverden (P AlGe) damit nicht nur ihren Präsidenten, sondern die nationalen Befreiungsbewegungen<br />

in Afrika einen ihrer artikuliertesten Vertreter. In über zwanzig<br />

Jahren des politischen Unabhängigkeitskampfes verfaßte Cabral eine Reihe wichtiger<br />

theoretischer Arbeiten, deren Aussagen nicht nur für die Analyse der sozialen und politischen<br />

Lage in Guinea-Bissau sowie die daraus resultierenden Konsequenzen des Befreiungskampfes<br />

von grundlegender Bedeutung waren. Über die Klassenanalyse, die Rolle<br />

der Kultur im Kontext nationaler Befreiung und viele andere Aspekte eines antikolonialen<br />

Transformationsprozesses machte Cabral Aussagen, die für die Emanzipation in vielen<br />

Ländern der Erde eine Rolle spielen.<br />

Die vorliegende Zusammenstellung seiner Schriften wurde zuerst 1974 in Französisch<br />

und 1976 in Portugiesisch publiziert. Daß die Amilcar-Cabral-Geselischaft sich mit Erfolg<br />

um die Rechte zur Verbreitung von Cabrals Werk in deutscher Sprache bemühte, ist<br />

ihr Verdienst.<br />

Eine <strong>kritische</strong> Randbemerkung richtet sich gegen die mangelnde herausgeberische<br />

Sorgfalt dieser Ausgabe. Es ist gewiß notwendig und sinnvoll, ein über Formalitäten hinausgehendes<br />

Vorwort aufzunehmen, <strong>das</strong> sich mit den <strong>Theorie</strong>n Cabrals auseinandersetzt<br />

und diese im zeitgeschichtlichen Kontext behandelt. Der Versuch hierzu wird von Christian<br />

Sigrist und Ralf Syring unternommen (9-17), vermag aber nicht zu überzeugen.<br />

»Es wäre abwegig, Cabral als Etatisten im Sinne Kemal Atatürks zu bezeichnen« (16).<br />

Sätze wie dieser lassen darauf schließen, daß sich die Verfasser durchaus Gedanken gemacht<br />

haben. Da aber der türkische Querverweis nicht weiter erläutert wird, kann ihm<br />

kaum Gehaltvolles entnommen werden. Sigrist und Syring unterstellen Cabral eine Absolutheit<br />

und Rigorosität in der Betonung der autochthonen Kultur, die ich so nicht zu<br />

teilen vermag: Auch Völker, deren kulturelle Identität unter dem Joch des Kolonialismus<br />

brüchig geworden ist, beweisen dennoch in alltäglichen Formen des Protestes gegen<br />

ein solches Regime, daß ihnen dadurch die Fähigkeit zum Widerstand nicht abhanden<br />

gekommen ist. »Nur unter der Bedingung, daß sich <strong>das</strong> Volk seine kulturelle Identität<br />

erhält, erhält es sich auch die Fähigkeit zum Widerstand« (14), meinen dagegen die Verfasser<br />

des Vorwortes unter Verweis auf Cabral, der meines Erachtens derart ausschließlich<br />

nicht <strong>argument</strong>iert. Zweifel dürfen auch angemeldet werden, ob Cabrals Aufforderung<br />

an <strong>das</strong> Kleinbürgertum, »Selbstmord zu begehen«, tatsächlich ironisch gemeint ist,<br />

wie Sigrist und Syring behaupten (13). Ich halte es für naheliegender, daß Cabrals eigene<br />

soziale Herkunft ihn zu optimistisch stimmte.<br />

Zusätzlich zu diesen Interpretationsfragen stört leider eine gehörige Portion Satzfehler<br />

die Lektüre. So sollte ein Hinweis auf die Seitenzahl eines nachfolgenden Beitrags von<br />

Cabral nach dem Umbruch ergänzt werden, oder aber der sonst nutzlose Klammervermerk<br />

entfallen. Enttäuschend ist die Scheuklappen-Mentalität der Herausgeber: Wenn<br />

DAS ARGUMENT 146/1984 ©

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