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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Geschichte 647<br />

neer Women« von 1981). Die didaktische Aufbereitung mißlingt völlig. Lassen sich die<br />

von Borries aufgeworfenen Sachfragen oft schon nicht aus der zitierten Quelle erschließen,<br />

so wirkt die Fragestellung selbst manchmal »naiv« (z.B. zur Gegenüberstellung<br />

zweier Texte wird gefragt: »Wer hat Recht?« oder »Wer war primitiver, wer menschlicher?«).<br />

Ute Frevert (»Frauen und Ärzte im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert -<br />

Zur Sozialgeschichte eines Gewaltverhältnisses«) weist nach, wie die heilkundigen Frauen<br />

- zunächst aus bevölkerungspolitischen Gründen - seit dem 18. Jahrhundert systematisch<br />

von der männlichen Ärztezunft aus ihrer Funktion gedrängt und zur geduldeten<br />

- weil vom Arzt kontrollierten - Krankenpflegerin degradiert wurden. Mit unvorstellbarer<br />

Brutalität übernahmen männliche Geburtshelfer <strong>das</strong> Metier. In den seit 1750 eingerichteten<br />

staatlichen Entbindungsanstalten (die überwiegend ledige Frauen aufnahmen)<br />

übertraf die Säuglings- und Müttersterblichkeit aufgrund neuer technischer »Geburtswerkzeuge«<br />

die Sterblichkeitsrate der mit Hilfe von Hebammen durchgeführten<br />

Hausgeburten bei weitem. Weiblicher Widerstand war die Folge, wenn auch noch nicht<br />

mit der gleichen Rigorosität wie heute. Den Abschluß dieses Bandes bildet Annemarie<br />

Trägers Aufsatz »Die Planung des Rationalisierungsproletariats. Zur Entwicklung der<br />

geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und des weiblichen Arbeitsmarktes im Nationalsozialismus«.<br />

Die Autorin stützt mit ihrer Untersuchung die These von der ökonomischen<br />

Notwendigkeit der Ausschöpfung weiblicher Produktivkraft außerhalb des Reproduktionsbereichs<br />

und der gleichzeitigen Konsolidierung geschlechtsspezifischer Berufe<br />

im Nationalsozialismus.<br />

Im III. Band werden als Beitrag für den Geschichtsunterricht folgende Zusammenstellungen<br />

angeboten: Heide Lauterer-Pirner, »Vom 'Frauenspiegel' zu Luthers Schrift<br />

'Vom ehelichen Leben'. Das Bild der Ehefrau im Spiegel einiger Zeugnisse des 15. und<br />

16. Jahrhunderts«; Elisabeth Freier u.a., »Frauen suchen nach neuen Formen der<br />

Selbstverwirklichung und des menschlichen Zusammenlebens. Überlegungen zur Kontinuität<br />

von Ehe und Familie nach 1945« und Jürgen Osterhammel, »Frauengeschichte<br />

als Sozialgeschichte - Skizze eines Unterrichtsprojektes in der Sekundarstufe 11«. Im<br />

Sinne eines »Geschichtspluralismus« empfiehlt J. Osterhammel jedoch, »Frauengeschichte<br />

nicht nur als Spezialität weniger Kcnner(innen) und Enthusiasten, sondern als<br />

maßvoll dosierten, aber selbstverständlichen Bestandteil historischer Bildung in der Unterrichtswirklichkeit<br />

zu verankern« (220). Keineswegs sollte Frauengeschichte - so<br />

denkt auch der Kollege Borries in Band I (223) - anderen, ebenfalls lange vernachlässigten<br />

Gebieten, wie der »Geschichte außereuropäischer Gesellschaften« oder der historischen<br />

Friedensforschung, vorrangig sein (ebd.). Die übrigen Beiträge wenden sich in einem<br />

ausgewogenen Verhältnis dem ideologiegeleiteten Frauenbild in verschiedenen Gesellschaftsformationen<br />

und der Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts<br />

zu. Priederike Häher (»Hexe, Maria und Hausmutter. Zur Geschichte der Weiblichkeit<br />

im Spätmittelalter«) weist auf die Bedeutung des Marien- und des Hexenbildes für die<br />

Herausbildung des neuzeitlichen Mutter- und Frauenideals hin, betont aber meines Erachtens<br />

zu wenig, daß die sogenannten Hexen sowohl für die Bevölkerungspolitik der<br />

Herrschenden und des Klerus als auch für die Naturwissenschaftler eine Bedrohung darstellten<br />

(dieser <strong>kritische</strong> Einwand gilt übrigens auch für den Beitrag von Brigitte Rauer in<br />

Band 11). Priederike J. Hassauer Raas (»Das Weib und die Idee der Menschheit. Überlegungen<br />

zur neueren Geschichte der Diskurse über die Frauen«) möchte die »Defizite des<br />

gegenWärtigen Diskussionstandes« in der neueren Frauenforschung durch Untersuchung<br />

der Konstitution und der Tradition der »Wissensvortäte und der Diskurse über<br />

Geschichte und Identität der Frau« überwinden helfen (87). Nach ihrer Meinung feiert<br />

der Eklektizismus fröhliche Urständ in der jetzigen Frauenforschung. Konsens bestehe<br />

nur in einem Punkt, dem der feministischen Parteilichkeit (89). Konstatiert wird ein<br />

»methodologisch unkontrollierter Einsatz des anthropologischen Diskurses, zum Teil<br />

DAS ARGUMENT 146/1984 ©

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