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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Kongreßberichte 603<br />

tät u.a. Wir sind uns unsicher geblieben, ob Kongresse dieser Art dazu beitragen, gemeinsame<br />

Merkmale von Frauenunterdrückung herauszuarbeiten, ob sie einen Rahmen<br />

bilden, Aktivitäten zu internationalisieren, indem sie vernetzt werden. Mit Sicherheit<br />

aber läßt sich sagen, daß eigene Problemkonstruktionen, die an den Landesgrenzen<br />

haltmachen, verschoben werden, daß eurozentrisches Denken aufgebrochen wird. So<br />

z.B. durch Olivia Muchena aus Zimbabwe, die über Machtstrategien der afrikanischen<br />

Frauenorganisationen sprach: Die gesellschaftliche Macht der afrikanischen Frauen sei<br />

gering und die Strukturen und Aktionen ihrer Organisationen nicht dazu geeignet, die<br />

Frauen zu weiteren gesellschaftlichen Eingriffen zu befähigen. Die Konzentration auf<br />

den sozialen Fürsorgebereich und <strong>das</strong> Fehlen ausgefeilter Strategien zur Durchsetzung<br />

ökonomischer Forderungen machten, daß die Frauenorganisationen relativ unsichtbar<br />

am Rande stehen und die Frauen in den entscheidenden gesellschaftlichen Machtstrukturen<br />

fehlen. Als wichtiges Moment dieser Machtlosigkeit bezeichnete Olivia Muchena<br />

die negative Einstellung vieler Frauen zur Macht, in der die Dominanz über andere und<br />

nicht die kanalisierte Kraft der Frauen zur Änderung ihres Lebens und der ganzen Gesellschaft<br />

gesehen werde. Sie schlug als Gegenstrategie ein System ökonomischer, politischer<br />

und erzieherischer Reformen vor samt einer Verknüpfung der Kämpfe in den verschiedenen<br />

Frauenorganisationen zu einer machtvollen Struktur - auch als Machtsymbol<br />

der Frauen gegenüber den Männern.<br />

Zsuzsa Ferge aus Budapest stellte an der ungarischen Situation <strong>das</strong> Problem der Unvereinbarkeit<br />

von qualifIzierter Berufstätigkeit und traditionellen Farnilienformen dar.<br />

Die weibliche Erwerbstätigkeitsquote sei in Ungarn sehr hoch. Identitätskrisen seien die<br />

Folge, die Probleme würden individuell ausgetragen und ,als Überforderung: Frauen<br />

könnten nicht zur gleichen Zeit perfekte Mütter, ideale Hausfrauen und Sexualpartnerinnen,<br />

Arbeitskräfte gleichen Werts und gleiche Partnerinnen im öffentlichen und politischen<br />

Leben sein. Sie müßten wählen, und jede Entscheidung gehe auf Kosten anderer<br />

wichtiger Aufgaben. Es sei verstärkt zu Ideologien gekommen, die Frauen in ihre »biologische<br />

Bestimmung«, in die privaten Räume von Familie und Ehe verweisen. Z. Ferge<br />

formulierte als Forschungsfrage eine neue Bestimmung von biologischem und sozialem<br />

Geschlecht. Zum ideologischen Aspekt von Frauenunterdrückung sprach auch Else<br />

Bath, Professorin für Logische und Analytische Philosophie in Groningen. Indem Denken<br />

und Handeln »für den Nächsten« in der Farnilie eingeübt werden, »vergäßen« die<br />

Frauen bei ihren Emanzipationsbestrebungen sich selbst und nähmen statt dessen den<br />

Standpunkt »aller Unterdrückten« ein. Zum Beispiel sähen Frauen sich dazu veranlaßt,<br />

ihre Forderungen damit zu begründen, daß diese nicht nur den Frauen, sondern auch allen<br />

anderen zugute kämen. E. Barth wertete dies als Zurücknahme der eigenen Interessen.<br />

Neben den täglichen Hauptvorträgen (key-notes) gab es viele Arbeitsgruppen, in denen<br />

weitere Referate diskutiert werden konnten. Englisch war Kongreßsprache, und <strong>das</strong><br />

sorgte anfänglich für eine starke Dominanz der US-amerikanischen Frauen. Die Qualität<br />

der Beiträge und die methodischen Herangehensweisen waren sehr unterschiedlich.<br />

Streng statistische Vorschläge standen neben mehr »einfühlenden« Beiträgen. Teilnehmerinnen<br />

berichteten uns, daß es oft die nicht zu ihrem Fachgebiet gehörigen Arbeitsgruppen<br />

waren, die neue Perspektiven eröffneten mit Forschungsfragen wie z.B. dieser:<br />

»Finden Sie Mannschaftssport unerläßlich für Ihre Tochter, wenn sie später eine Topposition<br />

innerhalb der Wirtschaft einnehmen soll?«<br />

Auch Streit hatte es um den Kongreß gegeben - 400 Gulden (360 DM) mußten die<br />

Teilnehmerinnen bezahlen. Protestdemonstrationen von Groninger Frauen und empörte<br />

Briefe aus dem Ausland prangerten die hohe Kongreßgebühr als »Ausschluß der Frauenbewegung«<br />

und Beschränkung der Teilnahme auf eine fmanzkräftige Elite an. In der<br />

Tat riefen die WissenschaftIerinnen auf dem Kongreß vergeblich nach der Bewegung.<br />

DAS ARGUMENT 146/1984 ©

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