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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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556 BritaRang<br />

dienstnahme der Matriarchatskonzepte - aktuell erfahren - die eigenen<br />

Überlegungen bestimmte. So benennt denn auch Jost Hermand Benjamin und<br />

Fromm als Zeugen für den »Zusammenhang zwischen Faschismus und Matriarchatsvorstellungen«<br />

(vgl. Anm.70). Aber sind sie <strong>das</strong> so umstandslos? Jedenfalls<br />

- so scheint mir - nicht in dem von Hermand unterstellten Sinne.<br />

Sie sind vielmehr Zeugen für die Ambivalenz, Widersprüchlichkeit, Heterogenität<br />

mutterrechtlicher Ansätze, insbesondere der Bachofenschen Position. Sie<br />

gehen dem irritierenden Problem nach, daß »die begeisterte Zustimmung zur<br />

matriarchalischen <strong>Theorie</strong> aus zwei weltanschaulich und politisch völlig entgegengesetzten<br />

Lagern kam« (Fromm 1934, 196). Fromm führt dazu aus: »Die<br />

schroffe Gegensätzlichkeit dieser Gruppen ... weist darauf hin, daß in der<br />

Mutterrechtstheorie selbst wie in dem Gegenstand, den sie behandelt, ganz heterogene<br />

Elemente vorhanden sein müssen, von denen die eine Gruppe die einen,<br />

die andere davon verschiedene als entscheidend empfindet und zur Basis<br />

ihrer Vorliebe für die Matriarchatstheorie macht.« (197)<br />

Was Sozialisten am Mutterrecht interessierte - <strong>das</strong>, so Fromm, »vitale gesellschaftliche<br />

Interessen« berührte (196) -, war nach Walter Benjamin nicht<br />

nur »la notion du communisme primitif«, sondern auch »le bouleversement<br />

du concept d'autorite qu'elle amene« (Benjamin 1934, 231). Für Benjamin<br />

machte die Wirkungsgeschichte der Matriarchatsthesen deutlich, »quelles<br />

couches profondes de l'individu lui-meme sont mise en jeu par ces questions.«<br />

(Ebd.) Und für Fromm wird mit ihnen - und durch sie - die »Relativität der<br />

bürgerlichen Gesellschaftsstruktur« deshalb sichtbar, weil hier die patriarchalische<br />

Familie als eine der wichtigsten »Produktionsstätten der für die Stabilität<br />

wirksamen seelischen Haltungen« (211) zur Diskussion gestellt wird. Eben deshalb<br />

sind die Faschisten für Fromm nicht die wahren Erben der Matriarchatshoffnungen.<br />

Sie haben zwar zeitweise bestimmte Elemente aus jenen Vorstellungen<br />

sich anzueignen und ideologisch zu nutzen verstanden; aber zugleich<br />

standen die Krisenentwicklungen und -kämpfe der 20er und beginnenden 30er<br />

Jahre gerade auch für den Nationalsozialismus im Zeichen der Zurückdrängung<br />

von substantiellem Matriarchatsvorstellungen. Da es zur faschistischen<br />

»Lösung« der Wirtschaftskrise gehöre, dem Kapitalismus wieder auf die Beine<br />

zu helfen, brauche man auch ein wichtiges Stück von dessen ideologiepraktischer<br />

Basis, den Patrizentrismus. Für die kapitalistisch-faschistischen Fraktionen<br />

»(bedeutet) der patrizentrische Komplex eine ebenso wirksame Produktivkraft<br />

wie der matrizentrische für den Sozialismus.« (226)<br />

Fromm und Benjamin machen also 1934 im Gegensatz zu J ost Hermand<br />

1984 den Nationalsozialisten streitig, eine substantielle Beziehung zu zentralen<br />

Elementen der Matriarchatskonzepte überhaupt haben zu können. Hermand<br />

hingegen hält offensichtlich <strong>das</strong> befreiende Element der Mutterrechtsthesen<br />

für so verschwindend gering, daß es nicht nur hinter der Massivität seiner ideologisch-rückschrittlichen<br />

Potentiale verschwindet, sondern auch mit dem<br />

schamlosen faschistischen Zugriff unwiderruflich zum Bestandteil der Gegenaufklärung<br />

wird (vgl. 541). Eben dadurch aber bekommt seine Analyse - besonders<br />

auch unter dem Aspekt gegenwärtigen politischen Handeins - eine eigentümliche<br />

Abstraktheit. Es entfällt, in welche ideologisch-praktischen Zu-<br />

DAS ARGUMENT 146/1984 ©

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