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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Sind Matriarchatskonzepte faschistisch? 557<br />

sammenhänge auch die berechtigten Bedürfnisse, Sehnsüchte, Wünsche,<br />

Hoffnungen der Menschen in der Regel eingebunden sind. Hermand unterstellt,<br />

daß <strong>das</strong> Nichtfaschistische schon qua eigener Qualität für sich bleibe und<br />

dem Faschismus nur zufalle, was selbst zuvor schon faschistisch war. Aber<br />

bringt uns diese scheinbar radikale Vorstellung wirklich weiter? Wissen, Hoffnungen,<br />

Wünsche, die sich mit Matriarchatsthesen verknüpfen, sind zwar<br />

nicht völlig freischwebend, aber sie sind - wie gerade deren Geschichte im Faschismus<br />

zeigt - in ihrer Heterogenität umkämpfte »Verfügungsrnassen«. Dabei<br />

spielen nicht nur Fragen wie »wohin damit« eine wichtige Rolle, sondern<br />

auch Probleme ihrer Einfügung in anderes, der Auswahl von Teilelementen,<br />

des Unterdrückens von anderen. Diese Fragen (Probleme) bleiben bei Hermand<br />

undiskutiert. Er sieht nicht, daß jene »vitale gesellschaftliche Interessen<br />

berührenden Hoffnungen« (Fromm) von hegemonialer Vereinnahmung bedroht<br />

sind, ja, daß sie auch von den größten Widersachern einkassiert werden<br />

können und dennoch in ihrer Substanz Widerhaken zu behalten vermögen. Also:<br />

Nicht weil mutterrechtliche Vorstellungen von sich aus eindeutig dem Faschismus<br />

zustrebten, sind sie von diesem unterdrückerisch genutzt worden,<br />

sondern deshalb, weil der Faschismus in einem bestimmten historischen Augenblick<br />

unangefochten auch mit Elementen mutterrechtlicher Konzeptionen<br />

Zustimmung erzeugen konnte. Dabei haben sich die Nationalsozialisten sehr<br />

wohl die Zwieschlächtigkeit matriarchalischer Konzepte zunutze gemacht: Sie<br />

haben von Mütterherrschaft gesprochen, wo es gerade auch um Unterwerfung<br />

ging; sie haben Machtübernahme der Frauen in deren »wesensgemäßen Bereichen«<br />

empfohlen und Hinnahme damit gemeint; sie haben die Stärke der mütterlichen<br />

Gefühle gepriesen und deren Schwäche ausgenutzt. Zugute kam ihnen,<br />

daß diese Widersprüche in jenen Konzepten bereits selber vorgeprägt waren.<br />

Denn in ihren findet man nicht nur Gynaikokratie und die Kraft von Liebe<br />

und Mitleid, sondern ebenso Züge »passiver Hingabe an die Natur und die<br />

ausschließliche Anerkennung aller natürlichen, biologischen Werte im Gegensatz<br />

zu geistigen« (Fromm 1934, 2(0). In und mit diesem Widerspruch haben<br />

die Faschisten gearbeitet. Sie haben hinnehmende Zustimmung erzeugt für eine<br />

hauptsächlich von Männern angeleitete Politik; für ein Herausgehen der<br />

Frauen aus beruflich anspruchsvollen Positionen und Ausbildungsgängen; für<br />

eine unbeirrte Gebärfrcudigkeit. Was sie den Frauen damit ließen, <strong>das</strong> war die<br />

Mütterherrschaft im Reproduktionsbereich, die ewig alte und nun neu glorifizierte.<br />

Daß aber von Mütterherrschaft sprechen und Frauenunterdrückung<br />

meinen auch Nationalsozialistinnen nicht völlig befriedigte, benennt Hermand<br />

unter Hinweis auf Sophie Rogge-Börner selbst. Sie beharrte auf politischer<br />

und sozialer Gleichrangigkeit im Namen frühgermanischer »Zweieinigkeit«<br />

(549).<br />

So scheint denn auch nicht ganz verwunderlich, daß die Nazis sich nicht auf<br />

Dauer mit dem zwieschlächtigen Mutterrecht abgegeben haben. Auch <strong>das</strong> zeigt<br />

Hermand auf (vgl. 551). Aber er zieht daraus keine Konsequenzen, befragt<br />

nicht die Matriarchatsthesen selbst auf <strong>das</strong> aufgeklärt Wider ständige in ihnen,<br />

sondern betont kritisch allein deren gegenaufklärerische Tendenz. Das mag<br />

auf den ersten Blick genügen - auf den zweiten jedoch nicht. Wenn Frauen<br />

DAS ARGUMENT 146/1984 ~;

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