das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
592 Peter Heller und Anne Seyjjerth<br />
spricht, läßt »die gesellschaftliche Umgestaltung der Arbeit im formellen Sektor<br />
weiter im Zentrum emanzipatorischer Reformansprüche« (Pfriem 1982,<br />
95); es geht um eine Strategie der sozialen und ökologischen Umstellung der<br />
vorhandenen Produktion: »Was könnte eine Belegschaft mit dieser Kapazität<br />
produzieren, <strong>das</strong> im gesamtgesellschaftlichen Interesse läge?« (Ebd.) Pfriem<br />
geht von einem Katalog sozialer und ökologischer Produktionsziele aus, um<br />
<strong>das</strong> Mensch-Mensch- und Mensch-Natur-Verhältnis im formellen Sektor zu<br />
humanisieren. Der Grundgedanke einer derartigen Produktions politik bildet<br />
den gemeinsamen Nenner der ökologisch-sozialistischen Konzepte: Eine<br />
marktorientierte Reform der kapitalistischen Wirtschaft oder deren Teilung in<br />
einen formellen und einen alternativen Sektor seien gleichermaßen unfähig, eine<br />
»Gebrauchswertrationalität der Produktion« einzulösen, deren der Umgang<br />
mit der Naturzerstörung bedarf.<br />
III. Anders leben<br />
Exemplarisch stellen wir in diesem Kapitel einige Autoren vor, die abseits der<br />
ökonomischen Kontroversen wichtige Beiträge zur sozialphilosophischen Fundierung<br />
einer ökologischen Wirtschaft und Gesellschaft geliefert haben. E.F.<br />
Schumacher setzte für die aktuelle Diskussion einen Anfangspunkt: »Small is<br />
beautiful« (1973). Seine Vision einer »buddhistischen Ökonomie« übertrifft<br />
ähnliche Veröffentlichungen der frühen siebziger Jahre insofern, als sie über<br />
eine bloße Neuauflage des geistigen Erbes der utopischen Sozialisten hinausgeht,<br />
<strong>das</strong> heißt: die ökologische Katastrophe mitdenkt. Sparsamkeit im Rohstoffverbrauch,<br />
umweltverträgliche Produktion, Arbeit als Instrument sozialer<br />
Emanzipation und Entrationalisierung des wirtschaftlichen Handeins sind die<br />
Elemente der buddhistischen Ökonomie. Schumachers Abkehr von der utilitaristischen<br />
Rationalität, vom anthropozentrischen Weltbild überhaupt wird eine<br />
Rückkehr zur Religion: »Nächstenliebe und Gottvertrauen; eine Tapferkeit,<br />
die dem materiellen Wohl und Wehe mit einer gewissen Gelassenheit gegenübersteht;<br />
ein Großmut und eine Großherzigkeit, die der Kalkulation des eigenen<br />
Vorteils nur einen sehr bescheidenen Platz einräumt; vor allem aber ein<br />
den Menschen nie verlassendes Bewußtsein, daß er sich nicht selbst gemacht<br />
hat und daß er in einer Welt lebt, die er auch nicht gemacht hat und die ihn auf<br />
allen Seiten und zu allen Zeiten mit Wundern umgibt, die seine Fassungskraft<br />
um ein Unendliches übersteigen« (Schumacher 1974, 69). In der gegenwärtigen<br />
sozialethischen Diskussion um die menschliche Aneignung der Natur spielen<br />
religiöse Ganzheitslehren keine unbedeutende Rolle. Von Schumachers »buddhistischer<br />
Ökonomie« zu c.F.v. Weizsäckers »asketischer Weltkultur« hat<br />
sich eine Front wider den »anthropozentrischen Funktionalismus« (Spaemann)<br />
gebildet (stellvertretend sei verwiesen auf Spaemann 1979 und Meyer<br />
Abich 1981). Sie reicht von ernsthaften Versuchen einer philosophischen Neubegründung<br />
des Mensch-Natur-Verhältnisses (Jonas 1979) zu Prophetien, deren<br />
Spuren uns in der dünnen Luft eines endlosen Obskurantismus aus den<br />
Händen gleiten.<br />
Die materialistische Gesellschaftstheorie findet ihren Anschluß an die ökologische<br />
Frage über die Reflexion des Gebrauchswertes der herrschenden Tech-<br />
DAS ARGUMENT 146/1984 ©