das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Frieder O. Wolf<br />
Ausstieg, Umgestaltung oder Umwälzung?<br />
Chancen und Illusionen grüner Wirtschaftspolitik<br />
»Grüne Wirtschaftspolitik« ist schwer zu fassen. Sie ist weder als eine Praxis in<br />
fertiger Gestalt greifbar, noch gibt es eine theoretisch umrissene Programmatik<br />
für eine solche Praxis. Sie ist aber auch keineswegs die beliebig formbare<br />
Kopfgeburt einer Anzahl zunächst wachstums- und technokratie <strong>kritische</strong>r Intellektueller<br />
(und der von ihnen hervorgebrachten theoretischen Literatur, vgl.<br />
Berger u.a. 1982), als die sie sowohl von Exponenten als auch von Kritikern<br />
immer wieder begriffen wird. l Es geht auch nicht an, durch imaginär ausgeklügelte<br />
- etwa »ökosozialistische« - Synthesen eine solche fertige Gestalt<br />
grüner Praxis und Programmatik vorzuspiegeln, ohne die materiellen Faktoren<br />
und Tendenzen untersucht zu haben, die die bisherige Entwicklung von<br />
Praxen und Programmatiken in diesem Problemfeld bestimmt haben.<br />
1. Der Gegenstand einer »grünen Wirtschaftspolitik«<br />
Eine solche Untersuchung - deren Gegenstand nichts anderes wäre als der unter<br />
unseren Augen sich praktisch vollziehende Prozeß der Spaltung und Verknüpfung<br />
unterschiedlicher naturwüchsiger gesellschaftlicher Oppositionsbewegungen<br />
gegen die Krisenlösungsstrategien des herrschenden kapitalistischen<br />
Weltsystems2 und die Wirkungsweise zentraler ideologisch-politischer Einsätze<br />
sowohl der dominanten ideologischen Mächte als auch der subversiven ideologischen<br />
Prozesse - kann den nicht unwichtigen Umstand zum Ausgangspunkt<br />
nehmen, daß die These von der Existenz eines Gegenstandsbereiches,<br />
für den der Begriff »Wirtschaftspolitik« steht, selbst bereits ein grundlegender<br />
politisch-ideologischer Eingriff ist: Einen eigenständigen Gegenstandsbereich<br />
der Wirtschaftspolitik »gibt es« erst in der Perspektive des militärisch-keynesianischen<br />
»Staatsinterventionismus« (vgl. Altvater 1972). Weder für die ungebrochen<br />
neoliberale Ideologie eines »Kapitalismus sans phrase« - für den es<br />
»private Unternehmerinitiative« und »Marktkräfte« gibt - noch für die Zielvorstellungen<br />
des klassischen Kommunismus - für den sich in der »klassenlosen<br />
Gesellschaft« alle Politik in eine »Verwaltung von Sachen« auflöst (vgl.<br />
Balibar 1983), macht die Vorstellung einen Sinn, einen Gegenstandsbereich zu<br />
gestalten, der die Einwirkung des Staates auf die autonomen Entscheidungsprozesse<br />
der kapitalistischen Unternehmungen zum Inhalt hat.<br />
Wenn wir also nicht von vornherein den Gegenstand unserer Untersuchung<br />
in unzulässiger Weise verkürzen wollen, können wir auch nicht ohne weiteres<br />
unterstellen, daß die »fertige Gestalt« an Programmatik und Praxis, auf die<br />
hin sich die »grüne Wirtschaftspolitik« letztlich entwickelt, selbst wiederum eine<br />
positive, staatsinterventionistische »Wirtschaftspolitik« im Sinne des reformkapitalistischen,<br />
keynesianischen Paradigmas sein werde. Im Gegenteil<br />
spricht <strong>das</strong> vielfältig - sowohl von der »Kosten«- (vgl. Lekachman 1981) als<br />
auch von der »Steuerungs«seite (vgl. Scharpf 1979) - greifbare Scheitern der<br />
DAS ARGUMENT 146/1984