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Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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Pulsschlag<br />

Entgrenzung des bürgerschaftlichen<br />

Engagements<br />

Die Entgrenzungsprozesse, die in beiden Bereichen<br />

zu beobachten sind, hat Adalbert Evers mit<br />

Blick auf das bürgerschaftliche Engagement dargelegt.<br />

Er diagnostiziert das Eindringen von<br />

Engagementelementen in die Erwerbsarbeit und<br />

die Landnahme von Erwerbsarbeitselementen<br />

im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements.<br />

So berichtet Richard Florida beispielsweise, dass<br />

die Angehörigen der neuen ‚kreativen Klasse‘<br />

den Anspruch haben, mehr als Freiwillige und<br />

nicht als normale Arbeitnehmer behandelt zu<br />

werden. In diese Richtung geht auch die Öffnung<br />

des Erwerbssystems für das Engagement,<br />

was sich beispielsweise in den sich verändernden<br />

Erwerbsbiografien ausdrückt. Eine negative<br />

Grauzone entsteht aber dort, wo die Erwerbsarbeit<br />

weniger sicher wird, mit freiwilligem<br />

Engagement vermischt wird und Zwangsverhältnisse<br />

entstehen, die nach außen hin als freiwilliges<br />

Engagement verkauft werden.<br />

Evers bewertet die entstehenden Grauzonen<br />

allerdings nicht ausschließlich negativ: Es gebe<br />

auch Teile von Lohnarbeit, die selbstbestimmt<br />

sein können. Allerdings ist auch hier darauf Wert<br />

zu legen, dass Engagement in seinem Charakter<br />

erkennbar bleibt. Und das bleibt es nur, wenn es,<br />

wie Evers ausführte, als Handeln im Sinne Hannah<br />

Arendts verstanden werde: in dem Solidarität<br />

eingeübt und Gemeinschaftserfahrungen gemacht<br />

werden können. Engagement muss in seinem<br />

produktiven Kern den Erwerb und die Ausübung<br />

genereller Kompetenzen ermöglichen.<br />

Diese Kompetenzen werden auch in der Welt der<br />

spezialisierten Erwerbsarbeit immer wichtiger.<br />

Evers plädiert daher dafür, dass das Besondere<br />

des Engagements geschützt werden muss.<br />

Allerdings befürwortet er einen genaueren Blick<br />

auf die Überschneidungsbereiche und die Grauzonen.<br />

Engagement benötigt eine materielle Absicherung<br />

und auch eine geringfügige Vergütung<br />

ist nicht schädlich. Es bereichert Biografien und<br />

kann produktiv sein, wenn Freiwilligkeit und<br />

101<br />

Mitgestaltungsmöglichkeiten gesichert sind. Eine<br />

Grenze ist allerdings dort erreicht, wenn Engagement<br />

Arbeitscharakter annimmt und Freiwillige<br />

in die Zwänge und Routinen des Berufs- und<br />

Arbeitsalltags eingepasst werden.<br />

Trends zur Verberuflichung<br />

Die beschriebenen Entgrenzungsprozesse machen<br />

sich in Trends der Verberuflichung von<br />

Engagement bemerkbar. Annette Zimmer geht<br />

von der Tatsache einer Einbindung des Engagements<br />

– wie übrigens auch der Erwerbsarbeit –<br />

in Organisationen aus. Dabei gibt es zum einen<br />

historische Traditionslinien und zum anderen<br />

Typen von Organisationen, die eine Verberuflichung<br />

(Professionalisierung) unterschiedlich<br />

stark fördern. Historisch zeigte sich, dass viele<br />

sozialarbeiterischen Bereiche des Wohlfahrtsstaates<br />

mit einem anfänglichen ehrenamtlichen<br />

Engagement entstanden sind und sich erst im<br />

Laufe der weitere Entwicklung verberuflicht und<br />

in das institutionelle Arrangement des entstehenden<br />

Wohlfahrtsstaates eingefügt haben. Zimmer<br />

entwickelte eine Typologisierung von Organisationen<br />

mit der Unterscheidung von altruistischen<br />

und an Selbsthilfe/Eigennutzen orientierten<br />

Organisationen einerseits und einer Unterscheidung<br />

von alten und neuen Organisationen<br />

andererseits. Sie untersuchte dann entlang<br />

dieser Typen die Verberuflichungstendenzen.<br />

Eine Verberuflichung ist vor allem im altruistischen<br />

und im alten Typ von Organisationen<br />

(Wohlfahrtsverbände, Hilfsorganisationen, Stiftungen)<br />

zu finden. Dieser Befund hat mit der<br />

Einbindung dieses Organisationstyps in den<br />

Wohlfahrtsstaat zu tun: Je stärker die Einbindung<br />

dort, desto intensiver die Verberuflichung.<br />

Die Einbindung in den Wohlsfahrtsmix<br />

hängt aber auch am Typus des Wohlfahrtsstaates.<br />

Der Dritte Sektor – der Begriff bezeichnet<br />

die Organisationsperspektive auf das Engagement<br />

– ist vor allem in liberalen und in subsidiär<br />

organisierten Wohlfahrtsstaaten stark, während<br />

im sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat – dafür

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