Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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tativ von denen in den alten Bundesländern deutlich<br />
unterscheiden. Drei wesentliche Aspekte<br />
lassen sich vor diesem Hintergrund benennen:<br />
die extrem geringe Mitgliederdichte der Parteien,<br />
die schwach ausgeprägten intermediären<br />
Strukturen sowie eine weit verbreiterte politische<br />
Kultur, die zumindest in Teilen den Anforderungen<br />
einer parlamentarischen Demokratie<br />
entgegensteht.<br />
Seit längerem gibt es bundesweit Diskussionen<br />
über den dramatischen Rückgang der Anzahl<br />
von Parteimitgliedern, insbesondere mit<br />
Blick auf die SPD, die aufgrund der Protestbewegung<br />
gegen Gerhard Schröders Agenda 2010<br />
zwischen 1998 und 2006 fast 200.000 Mitglieder<br />
verloren hat und bald als mitgliederstärkste<br />
Partei Deutschlands von der CDU abgelöst<br />
werden dürfte (Niedermayer 2007). Im Vergleich<br />
mit der Situation der Parteien in Ostdeutschland<br />
erscheint diese Debatte freilich etwas<br />
überzeichnet, denn die Funktionsfähigkeit<br />
der Parteien steht angesichts eines hohen Sockels<br />
an aktiven Parteimitgliedern nicht in Frage.<br />
Vermutlich nähert sich das westdeutsche<br />
Parteiensystem nur dem westeuropäischen Normalmaß<br />
an, denn offenkundig stellten eher die<br />
Masseneintritte in die deutschen Parteien während<br />
der stark politisierten 1970er Jahre eine<br />
Ausnahme dar.<br />
In Ostdeutschland gibt es hingegen keinen<br />
dramatischen, sondern vielmehr einen sanften<br />
und stetigen Rückgang der Parteimitgliederzah-<br />
Steffen Schoon<br />
len, allerdings von einem extrem niedrigen Niveau<br />
ausgehend. So hat beispielsweise die SPD<br />
in Mecklenburg-Vorpommern als langjährige<br />
Regierungspartei derzeit weniger als 3.000 Mitglieder<br />
und damit nicht viel mehr als mancher<br />
SPD-Unterbezirk in Westdeutschland. In Sachsen<br />
ist die Rekrutierungsfähigkeit, also das Verhältnis<br />
zwischen der Anzahl der Parteieintrittsberechtigten<br />
(Einwohner ab 14 Jahren) und Parteimitgliederzahl,<br />
sogar noch geringer als in<br />
Mecklenburg-Vorpommern (Niedermayer<br />
2007a). Mit Abstand am schwächsten sind jedoch<br />
Bündnis 90/Die Grünen organisatorisch<br />
aufgestellt, die in den ostdeutschen Flächenländern<br />
nur wenige hundert Mitglieder zählen. Im<br />
Gegensatz zu SPD und den Grünen konnten<br />
CDU, DIE LINKE und FDP zwar auf die Mitgliederressourcen<br />
aus der DDR-Zeit zurückgreifen,<br />
jedoch verringern sich die Mitgliederbestände<br />
kontinuierlich von Jahr zu Jahr.<br />
Insbesondere DIE LINKE verliert jährlich zwischen<br />
vier und fünf Prozent der Parteimitglieder,<br />
zumeist durch deren Ableben. In Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Sachsen wird sie daher<br />
Ende des Jahres 2007 den Rang als mitgliederstärkste<br />
Partei an die CDU abgeben müssen.<br />
Die Dramatik der Lage wird aber erst so<br />
richtig deutlich, wenn man diese Mitgliederzahlen<br />
auf die Ebene der Kreise herunterbricht. Die<br />
in Tabelle 2 dargestellten Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern<br />
verdeutlichen die Problematik<br />
exemplarisch. Die Sozialdemokraten haben<br />
Tabelle 1: Mitgliederzahlen der Parteien in den neuen Bundesländern<br />
Land CDU SPD PDS/<br />
DIE LINKE<br />
FDP Grüne<br />
Brandenburg 6.731 6.691 9.710 1.546 647<br />
Mecklenburg-Vorpommern 6.419 2.872 6.423 1.054 302<br />
Sachsen 13.942 4.444 14.066 2.480 953<br />
Sachsen-Anhalt 9.030 4.519 6.420 2.166 494<br />
Thüringen 12.371 4.530 7.387 1.924 516<br />
Quelle: Niedermayer 2007: 371.