Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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120 <strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 20, 4/2007<br />
teil werde vielmehr die beständige Abschottung<br />
von der Gesellschaft zur Quelle der Gruppenidentität.<br />
Das Ziel der Inklusion in die Gemeinschaft<br />
werde damit zumindest in der Zivilgesellschaft<br />
obsolet. Als Beispiel drängten sich<br />
rechtsextreme Kameradschaften auf, wobei in<br />
der Diskussion der Standpunkt vertreten wurde,<br />
dass vollständige zivilgesellschaftliche Inklusion<br />
auch auf derartige Gruppen ausgedehnt<br />
werden müsste. Ergänzt wurde die kritische<br />
Betrachtung Youngs durch den Beitrag von Gary<br />
S. Schaal (Stuttgart), der Youngs Demokratietheorie<br />
ebenfalls aus empirischer Perspektive<br />
beleuchtete und auf fruchtbare Impulse für das<br />
Modell der deliberativen Demokratie befragte.<br />
In empirischer Hinsicht betonte er, dass die Ergebnisse<br />
deliberativer Politikprozesse immer<br />
dann am besten seien, wenn die deliberierende<br />
Gruppe auf einer heterogenen Zusammensetzung<br />
basiere. Während er Young zwar dafür<br />
kritisierte, dass sie gerade diesen Faktor der inneren<br />
Heterogenität von Gruppen systematisch<br />
unterschätze, konnte er in der Begrüßung doch<br />
eine positive Methode zur Verbesserung der<br />
Gruppenatmosphäre ausmachen. Dennoch blieb<br />
der Tenor kritisch: Mit der bekannten Forderung<br />
nach Einlass von Emotionen in die Politik<br />
unterstelle Young eine Trennung von Emotion<br />
und Wahrnehmung, die nach Schaal so gar nicht<br />
möglich sei.<br />
Gerechtigkeit als Grundmotiv<br />
Mit der Frage nach Gerechtigkeit rückte im<br />
zweiten Abschnitt der Tagung ein Youngsches<br />
Motiv in den Vordergrund, das in Regina Kreides<br />
(Frankfurt) Beitrag eine besonders konkrete<br />
Wendung erfuhr: Unter der Fragestellung<br />
‚Gibt es eine gerechte Weise, ein T-Shirt<br />
zu produzieren? Verantwortung und globale<br />
Gerechtigkeit‘ befasste sie sich mit Youngs<br />
Konzeption politischer Verantwortlichkeit als<br />
Antwort auf die in den Konjunktiv gewendete<br />
Frage, ob es eine gerechte Produktionsweise<br />
für ein T-Shirt gäbe. In Abgrenzung zu haf-<br />
tungsorientierten Konzeptionen von Verantwortung<br />
zeichne sich Youngs Konzept durch<br />
eine geteilte Verantwortung aus, die bereits aus<br />
der bloßen Mitgliedschaft in der nationalen und<br />
internationalen Gemeinschaft resultiere. Demnach<br />
sei jeder Einzelne in unterschiedlichem<br />
Maße für die Aufrechterhaltung ungerechter<br />
internationaler Strukturen verantwortlich –<br />
ohne selbst unmittelbar Schäden zu verursachen<br />
oder gar zu wollen. Dagegen plädierte<br />
Kreide für ein haftungsorientiertes Konzept der<br />
Verantwortung für kollektive private Akteure,<br />
dem David Owen (Southampton) entschieden<br />
widersprach. Gleichwohl sei sowohl bei der<br />
individuellen als auch der kollektiven Verantwortung<br />
ein prospektiver Aspekt von Bedeutung:<br />
Die Suche nach der Verantwortung für<br />
internationale Ungerechtigkeit könne nach<br />
Kreide nur dann erfolgreich verlaufen, wenn<br />
bereits im Voraus klar sei, wer Verantwortung<br />
trage und auf welche konkreten Pflichten sich<br />
diese beziehe.<br />
Während das Youngsche Motiv der Anerkennung<br />
von Unterschiedlichkeit bei Kreide<br />
im Hintergrund blieb, nahm es in den Beiträgen<br />
von Oliver Flügel/Franziska Martinsen<br />
(Hannover) und Susanne Toensmann (Bremen)<br />
eine Zentralstellung ein. Erstere verwiesen<br />
unter dem Titel ‚Politik und Differenz‘ auf den<br />
konstitutiven Bezug der Gerechtigkeit zur Besonderheit.<br />
Dementsprechend beziehe sich<br />
Gerechtigkeit bei Young nie auf das Identische,<br />
sondern immer auf das Andere, woraus<br />
sich zudem eine Spannung zum Aspekt der<br />
Unparteilichkeit ergebe. Diese sei im Kontext<br />
der Gerechtigkeit unmöglich, weil sie Andere<br />
prinzipiell zu Gleichen mache und ihnen damit<br />
Gewalt antue. Darüber hinaus sei die Gerechtigkeit<br />
mit ihrem Bezug zur Besonderheit nicht<br />
mehr systematisch denkbar: Sie sei stets nur<br />
noch auf konkrete soziale Praxis bezogen –<br />
und gerate zudem beständig in Konflikt mit<br />
objektivistischen Vorgaben – und Verfahrensvorschriften.<br />
Demgegenüber befasste sich Sus-