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Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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2 Editorial<br />

Wandel der Parteiendemokratie –<br />

Macht ohne Substanz?<br />

„Nun gewinnt mal schön“, gab Alt-Bundeskanzler<br />

Gerhard Schröder seinen niedersächsischen<br />

Genossinnen und Genossen im Wahlkampf<br />

Mitte Januar 2008 mit auf den Weg. Dass dies<br />

angesichts eines sehr beliebten Ministerpräsidenten<br />

und dessen starker Partei im Rücken<br />

unmöglich wurde, zeigte das Wahlergebnis.<br />

Parteien wirken bei der politischen Willensbildung<br />

des Volkes mit. So will es das Grundgesetz.<br />

Schröder fasst mit seinem lapidaren Satz<br />

jedoch zusammen, worauf es für Parteien ebenso<br />

in hohem Maße ankommt: Vertrauen in der Bevölkerung<br />

zu gewinnen und in Wahlerfolge<br />

umzumünzen, Mehrheiten zu erobern.<br />

Wir gewinnen mal schön, mochten auch<br />

CDU/CSU weit vor den Bundestagswahlen<br />

2005 gedacht und geglaubt haben. Alle Umfragen<br />

damals, lautstark begleitet von einem überwältigenden<br />

Medientenor pro Regierungswechsel,<br />

sahen die Union und FDP deutlich vor der<br />

SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Bekanntlich<br />

wurde es dann doch wesentlich enger als gedacht<br />

und beide Volksparteien liefen beinahe<br />

zeitgleich über die Ziellinie. Die etablierten Parteien,<br />

vorneweg die Union, hatten die Rechnung<br />

ohne das Wahlvolk gemacht: Dort existiert<br />

seit Jahrzehnten – anders als Politiker und<br />

interessierte Medien glauben machen wollen –<br />

das kontinuierliche Bedürfnis nach sozialer<br />

Gerechtigkeit. Die Unionisten vernachlässigten<br />

dieses Bedürfnis mit vehementen Plädoyers für<br />

einen Politikwechsel hin zu einer vom Markt<br />

dominierten Politik. Dies wurde vom Wahlvolk<br />

abgestraft. Gerhard Schröder und die SPD versuchten<br />

(nach Jahren einer Agenda 2010-Politik)<br />

mit ihrem Wahlkampf, der Gerechtigkeitsthemen<br />

erkennbar bedachte, dem Wählerbedürfnis<br />

näher zu kommen – und verfehlten damit<br />

nur knapp die Mehrheit der Wählerstimmen.<br />

Seit dem Herbst 2005 gibt es eine Große<br />

Koalition unter Führung der Union und, mit der<br />

LINKEN, eine Partei links von der SPD. Das<br />

Parteiensystem hat sich also auf Bundesebene<br />

erweitert. Letzteres erweist sich seitdem für die<br />

SPD als unangenehme Realität. <strong>Soziale</strong> Gerechtigkeit<br />

ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr für<br />

die SPD. DIE LINKE und die Union ‚wildern‘<br />

beide in einem vormals klassisch der SPD zugeordneten<br />

Themenfeld. Menschen, die sich –<br />

gefühlt oder real – an den Rand des Arbeitslebens<br />

und der Gesellschaft gedrängt sehen, wenden<br />

sich von der alten Dame SPD ab, hin zu der<br />

LINKEN, in die Wahlenthaltung, oder –<br />

schlimmstenfalls – zu rechtsextremistischen<br />

Parteien. Das Parteiensystem ist heftig in Bewegung<br />

geraten. Parteien, Medien und Forschung<br />

wissen immer noch nicht, wie sie mit<br />

dieser Dynamik des Wandels umgehen sollen.<br />

Die grundlegendste Fragestellung ist wohl die<br />

nach den Folgen für das Parteiensystem<br />

insgesamt: Klafft zwischen den demokratischen<br />

Parteien und dem Wahlvolk eine viel größere<br />

Lücke, als auf den ersten Blick zu erkennen ist?<br />

Erodiert ihr Rückhalt in der Bevölkerung, weil<br />

sie sich mit ihrer Politik immer weiter von den<br />

Bürgerinnen und Bürgern entfernen? Verlieren<br />

sie gar ihre legitimierte, demokratische Substanz?<br />

Zeit für das <strong>Forschungsjournal</strong> Neue <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Bewegungen</strong>, erneut eine Analyse der Parteienlandschaft<br />

in Deutschland vorzulegen: 1 Wie<br />

hat sich das Parteiensystem seit der Regierungsbildung<br />

der Volksparteien CDU und SPD und<br />

dem Zusammenschluss von WASG und PDS<br />

zur Bundespartei DIE LINKE in Bund und Ländern,<br />

in Ost und West verändert? Welche Folgen<br />

haben die Verschiebung von Mehrheitsverhältnissen<br />

oder auch aktuelle Parteireformbestrebungen<br />

für die Volksparteien, auch mit Blick<br />

auf die Flügelparteien des Parteiensystems? Wie<br />

gestaltet sich das Verhältnis der Parteien zur<br />

Zivilgesellschaft? 2<br />

Die Beiträge unseres Themenheftes setzen<br />

den analytischen Fokus vor allem auf die beiden<br />

Volksparteien CDU und SPD. Vor dem Hin-

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