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Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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Einstellungen zum Sozialstaatsabbau<br />

der Intensität ausspricht, in Westdeutschland<br />

zwischen 70 und 90 Prozent aus, in Ostdeutschland<br />

zwischen knapp 90 und fast 100 Prozent.<br />

Es kann also eindeutig festgestellt werden, dass<br />

die Befürworter eines Sozialstaatsabbaus nach<br />

wie vor in beiden Landesteilen klar in der Minderheit<br />

sind.<br />

Deutlich ist auch, dass es in Ostdeutschland<br />

zu allen Zeitpunkten sowohl auf der Dimension<br />

der Extensität als auch auf der der Intensität<br />

wesentlich weniger Abbaubefürworter gibt als<br />

in Westdeutschland. Diese Differenzen haben<br />

sich seit der Wiedervereinigung nicht etwa verringert,<br />

sondern sogar vergrößert. 9 Die Politik,<br />

die auf einen Sozialstaatsabbau zielt, sieht sich<br />

also nicht nur einer großen gegnerischen Mehrheit<br />

in der Bevölkerung gegenüber. Sie muss<br />

darüber hinaus auch mit zunehmenden Unterschieden<br />

zwischen den Einstellungen von Ostund<br />

Westdeutschen umgehen.<br />

4 Determinanten individueller<br />

Einstellungen zum Sozialstaatsabbau<br />

Zur Erklärung von individuellen Einstellungen<br />

zum Abbau des Wohlfahrtsstaats lassen sich<br />

zunächst zwei große Gruppen von Determinanten<br />

unterscheiden: instrumentelle und normative<br />

Orientierungen (Christensen 2007: 21-57).<br />

Instrumentelle Orientierungen gehen auf Einflüsse<br />

der jeweiligen Lebenssituation zurück.<br />

Dabei bewertet das Individuum den Wohlfahrtsstaatsabbau<br />

am instrumentellen Maßstab des<br />

kurzfristigen, materiellen Eigeninteresses. Demgegenüber<br />

bilden sich normative Orientierungen<br />

im Zuge der Sozialisation. Sie beeinflussen<br />

wohlfahrtsstaatliche Einstellungen, indem normative<br />

Maßstäbe angelegt werden und so die<br />

normative Erwünschtheit eines Sozialstaatsabbaus<br />

beurteilt wird. Als grundsätzliche Hypothese<br />

kann angenommen werden, dass der Abbau<br />

des Wohlfahrtsstaats umso stärker befürwortet<br />

wird, je weniger dem materiellen Eigen-<br />

79<br />

interesse einer Person dient und je weniger er<br />

ihren normativen Orientierungen entspricht.<br />

Eine weitere Gruppe von Einflussfaktoren<br />

stellen soziodemografische Variablen wie Alter,<br />

Geschlecht, Bildung und Einkommen dar.<br />

Sie bestimmen zwar die gegenwärtige soziale<br />

Position einer Person, bilden aber auch Sozialisationseinflüsse<br />

ab (Sears/Lau/Tyler/Allen<br />

1980: 671-672; Sears/Funk 1991: 19-20). Daher<br />

können sie sowohl das aus der Situation<br />

entstehende Eigeninteresse als auch die aus der<br />

Sozialisation resultierenden Wertorientierungen<br />

eines Individuums repräsentieren. Als Konsequenz<br />

dieser doppelten Bedeutung werden soziodemografische<br />

Merkmale hier als eigenständige,<br />

dritte Gruppe von Determinanten behandelt.<br />

Der Einfluss von instrumentellen und normativen<br />

Orientierungen sowie von soziodemografischen<br />

Variablen auf Einstellungen zum<br />

Abbau des Wohlfahrtsstaats wurde im Rahmen<br />

einer ausführlichen Untersuchung empirisch<br />

geprüft (Christensen 2007: 70-113). 10 Tabelle 5<br />

zeigt die Effekte aller getesteten Variablen unter<br />

Kontrolle aller anderen Determinanten. Die Ergebnisse<br />

für die Determinanten mit statistisch<br />

signifikanten Effekten fasst Tabelle 6 in einer<br />

leicht interpretierbaren Form zusammen.<br />

Keiner der Indikatoren für instrumentelle<br />

Orientierungen zeigte einen signifikanten Einfluss<br />

auf die Einstellungen zum Sozialstaatsabbau.<br />

11 Als bedeutsam erwiesen sich jedoch normative<br />

Orientierungen und hier insbesondere<br />

die Links-Rechts-Selbsteinstufung sowie die<br />

Norm der Bedarfsgerechtigkeit: 12 Eine Person,<br />

die sich am äußersten rechten Rand der Skala<br />

einordnet, stimmt in beiden Landesteilen mit einer<br />

dreieinhalb Mal so großen Wahrscheinlichkeit<br />

einem Sozialstaatsabbau bezüglich der Extensität<br />

zu wie jemand, der sich ganz links einstuft<br />

(Tabelle 6). Bei der Intensität beträgt diese<br />

Steigerung in den alten Bundesländern mehr als<br />

das Fünffache, in den neuen Bundesländern<br />

sogar fast das Siebenfache.

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