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Pulsschlag lung eines power shift bleibt also auch hier nicht unwidersprochen. Im Gegenteil wird hier die Rückkehr des Staates in seine vormals machtvolle und herausgehobene Position attestiert. 4 Fazit und Ausblick Was also bleibt vom power shift? Deutlich scheint, dass er bislang zumindest nicht in der von Jessica T. Mathews prognostizierten Form fortgeschritten ist. Im Gegenteil hat der Staat in vielen Bereichen seine machtvolle und herausgehobene Position beibehalten oder zurückerobert. Was eindeutig attestiert werden kann, ist eine Verschiebung in der Wahrnehmung – nichtstaatliche Akteure sind in den Fokus einer Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen gerückt, und selbst in der Tagespresse ist der Begriff ‚NGO‘ kein Fremdwort mehr. Gleichzeitig ist aber auch erkennbar, dass der Staat in einem Wandlungsprozess begriffen ist, der neue Formen des Politischen hervorbringt – und oftmals Akteure aus den Sektoren Markt und Zivilgesellschaft mit einschließt. Hier ist vor allem an den Übergang des klassischen Regierens (government) zu governance (vgl. unter vielen: Schuppert 2005) zu denken. Diese Entwicklung schließt mit ein, dass der Staat Privatisierungen öffentlicher Sektoren vorantreibt oder sich aus Politikbereichen zurückzieht und Leistungsbereitstellungen einstellt. Ob der Staat aber innerhalb dieser neuen Regulierungskonstellationen einen erheblichen Machtverlust erleidet und nur noch einen – vielleicht sogar vernachlässigbaren? – Faktor im politischen Prozess darstellt, ist fraglich (Grande et al. 2006: 119). Betrachtet man beispielsweise den ‚Rückzug des Staates‘ (Schneider/Tenbücken 2004) genauer, dann ist es voreilig, Rückzug automatisch mit Machtverlust gleichzusetzen. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Der Staat zieht sich freiwillig aus bestimmten Bereichen zurück, muss vormals erbrachte Leistungen nicht mehr tragen oder kann sich langwierige, kosten- und zeitintensive politische Auseinandersetzungen 97 ersparen, kann so Ressourcen bündeln und einen Machtzuwachs – im Sinne größerer Gestaltungsfreiheit in anderen Politikfeldern – erlangen. Wie so häufig müssen auch hier die Entwicklungen in einem größeren Zeithorizont weiter beobachtet werden. Letztlich lässt sich also (noch) nicht abschließend feststellen, ob der power shift tatsächlich stattgefunden hat – Skepsis bleibt angebracht. Vielleicht aber lohnt sich auch, den Fokus der Fragestellung konzeptionell ein wenig zu ändern. Mathews Idee des power shift liegt eine Nullsummenannahme der Macht zugrunde: Quantität und Qualität der Macht – wie auch immer man diese fassen möchte – sind zwar in gewisser Weise veränderbar und auch ‚verschiebbar‘, bleiben aber in der Summe gleich; eine Machtverschiebung bedeutet, dass was die nichtstaatlichen Akteure an Macht dazugewinnen, der Staat verliert. Ist es aber nicht denkbar – oder vielleicht sogar wahrscheinlich –, dass durch neue Formen der Kooperation zwischen den verschiedenen Akteuren neue Gestaltungsmöglichkeiten gewonnen werden und bessere Durchsetzungsmöglichkeiten für Politiken entstehen? Dies würde bedeuten, dass die Machtkonstellationen zwischen den Akteuren kein Nullsummenspiel wären, sondern dass im Gegenteil Macht als etwas begriffen wird, was durch gemeinsames Handeln gesteigert werden, aber natürlich auch durch gegenseitige Blockade verloren gehen kann. Eine solche Betrachtung scheint ein sinnvoller Weg, die Veränderungen im Dreieck Staat – Markt – Zivilgesellschaft analytisch zu begleiten. Jan Rohwerder ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen. Kontakt: jan.rohwerder@ ipw.rwth-aachen.de Anmerkungen 1 Hier ist z.B. an die Bewachung von Bundeswehreinrichtungen durch private Firmen oder
98 die Rolle privater Sicherheitsfirmen im Irak, z.B. die Blackwater-Corporation, zu denken (Schneiker 2007). 2 Dies ist geschehen in East Riding of Yorkshire, einem Landkreis in Großbritannien mit 324.000 Einwohnern. Dort hat die Arvato Government Services, ein Unternehmen der Bertelsmann-Gruppe, einen Großteil der kommunalen Leistungen übernommen – inklusive der Auszahlung von Transferleistungen und der Unterhaltung von Bürgerbüros. 3 Ausnahmen bilden Lobbyforschung (Leif/ Speth 2006) und – beginnend – die Auseinandersetzung mit der Rolle unternehmensnaher Stiftungen, die im Drei-Sektoren-Modell an der Schnittstelle zwischen Profit- und Nonprofit- Sektor liegen (Junck 2007). 4 Auch in diesen Politikbereichen sind NGOs involviert, allerdings seltener in Entscheidungsprozessen, sondern eher als nachgelagerte Service-Agenturen im Auftrag des Staates. An dieser Stelle muss allerdings wiederum auf die Entwicklung privatwirtschaftlicher Akteure hingewiesen werden (vgl. Anmerkung 1). Literatur Albrow, Martin 1998: Abschied vom Nationalstaat. Staat und Gesellschaft im Globalen Zeitalter. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Brozus, Lars,/Take, Ingo/Wolf, Klaus Dieter 2003: Vergesellschaftung des Regierens? Der Wandel nationaler und internationaler politischer Steuerung unter dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung. Opladen: Leske + Budrich. Debiel, Tobias/Werthes, Sascha 2006: Fragile Staaten und globale Friedenssicherung. In: SEF/INEF (Hg.): Globale Trends 2007, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 81-103. Finke, Barbara 2005: Legitimation globaler Politik durch NGOs. Frauenrechte, Deliberation und Öffentlichkeit in der UNO. Wiesbaden: VS. Grande, Edgar/König, Markus/Pfister, Patrick/Sterzel, Paul 2006: Politische Transnatio- <strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 20, 4/2007 nalisierung. Die Zukunft des Nationalstaats – Transnationale Politikregime im Vergleich. In: Schirm, Stefan A. (Hg.): Globalisierung. Bonn: bpb. Hinsch, Wilfried/Janssen, Dieter 2006: Menschenrechte militärisch schützen. Ein Plädoyer für humanitäre Interventionen. München: Beck. Hirsch, Joachim 2001: Des Staates neue Kleider. NGO im Prozess der Internationalisierung des Staates. In: Brand, Ulrich/Demirovic, Alex/Görg, Christoph/ Hirsch, Joachim (Hg.): Nichtregierungsorganisationen in der Transformation des Staates. Münster: Westfälisches Dampfboot, 13-42. Junck, Sybille 2007: Unternehmensnahe Stiftungen. Berlin: Bundesverband Deutscher Stiftungen. Khrestin, Igor 2006: New NGO Law In Russia: The Implementation Matters More Than Substance, online im Internet: www.ngowatch.org/ articles.php?id=209 [23.11.2007]. Leif, Thomas/Speth, Rudolf (Hg.) 2006: Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland. Bonn: bpb. Mathews, Jessica T. 1997: Power Shift. In: Foreign Affairs, Jg. 76, Heft 1, 50-66. McGann, James/Johnstone, Mary 2005: The Power Shift and the NGO Credibility Crisis. In: Brown Journal of World Affairs, Jg. 11 Nr. 2, 159-172. Mohr, Sabine 2005: Raum für neue Mitspieler. Über den Umgang von Weltbank, Internationalem Währungsfonds und Welthandelsorganisation mit NGOs. In: Brunnengräber, Achim/ Klein, Ansgar/Walk, Heike (Hg.): NGOs im Prozess der Globalisierung. Bonn: bpb, 298- 326. Rohwerder, Jan 2008: Legitimation jenseits von Staatlichkeit. Nichtregierungsorganisationen als Akteure der internationalen Politik. In: Biegi, Mandana/Förster, Jürgen/Otten, Henrique/Philipp, Thomas (Hg.): Demokratie, Recht und Legitimität im 21. Jahrhundert. Wiesbaden: VS.
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