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16 <strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 20, 4/2007<br />

Ulrich Eith/Gerd Mielke<br />

Von Brillen und Bildern<br />

Drei Fußnoten zur Wahl- und Parteienforschung<br />

1 Die vielen Ebenen der ‚Verwissenschaftlichung<br />

der Politik‘<br />

Der Blick auf gesellschaftliche und politische<br />

Entwicklungen erfolgt nicht voraussetzungslos.<br />

Stets wirken dabei theoretische Annahmen und<br />

aus ihnen entwickelte Konzepte als Suchscheinwerfer<br />

und Wahrnehmungsfilter, ganz nach der<br />

klugen Einsicht Goethes: ‚Man sieht nur, was<br />

man weiß‘. Theorien rücken bestimmte Teilbereiche<br />

des unendlich vielgestaltigen gesellschaftlichen<br />

und politischen Lebens in das Licht unserer<br />

Wahrnehmung, und sie belassen andere<br />

im Dunkeln. An diese erkenntnistheoretische<br />

Binsenweisheit gilt es vor allem dann zu erinnern,<br />

wenn – wie in den folgenden Beiträgen<br />

über die gegenwärtige Lage der Parteien in<br />

Deutschland – nicht nur klar umrissene Ereignisse,<br />

sondern komplexe Strukturen und Zusammenhänge<br />

betrachtet werden; wenn also<br />

untersucht werden soll, wie Parteien, ihre Eliten<br />

und die Wählerschaft auf einander einwirken<br />

und dabei zugleich auch von einander abhängen.<br />

Oder anders gewendet: Man kann all<br />

dies durch unterschiedliche theoretische Brillen<br />

betrachten und dabei auch unterschiedliche Bilder<br />

zu Tage fördern.<br />

Es reicht aber nicht aus, an die unvermeidliche<br />

theoretische Vorprägung gesellschaftlicher<br />

und politischer Wahrnehmungen der Sozialwissenschaft<br />

zu erinnern. Auch die etwa von der<br />

Wahl- und Parteienforschung beobachteten und<br />

analysierten Objekte, die Parteien, Eliten und<br />

Wähler agieren keineswegs in einem theoriefreien<br />

Raum. Über ganze Armeen von wissenschaftlichen<br />

Beratern, Meinungsforschern, Werbeagenturen,<br />

Kommunikations- und Kampagnenexperten<br />

und den Widerhall dieses politisch-<br />

wissenschaftlichen Beratungskomplexes in den<br />

Medien werden sie fortlaufend mit theoretisch<br />

vorgeprägten Sichtweisen über Politik und Gesellschaft<br />

konfrontiert. So ‚lernen‘ Bürger und<br />

Politiker also, wie sie als Wähler zu ihren Entscheidungen<br />

kommen, wie politische Botschaften<br />

in der Öffentlichkeit durchdringen, wie man<br />

Wahlkämpfe führt und vieles andere mehr. In<br />

das praktische politische Handeln fließen fortlaufend<br />

theoretisch erzeugte Interpretationsangebote<br />

und Verhaltensoptionen ein.<br />

Spezialisten aus dem Gesundheits-, Steuerund<br />

Rentenbereich ergänzen überdies die Kommunikations-<br />

und Kampagnenexperten mit Vorschlägen<br />

zur Finanzierung des Gesundheitswesens,<br />

zur Sanierung der Haushalte oder zur Sicherung<br />

der Altersvorsorge: Die Sinns und<br />

Rürups und Raffelhüschens sind überall 1 .<br />

Selbstverständlich sind auch die Vorschläge der<br />

Policy-Experten theoretisch aufgeladen und gehen<br />

auf zahlreiche, stillschweigende Prämissen<br />

zurück. Das Bürgerbild hinter der Rezeptur einer<br />

privaten Altersvorsorge ist anders als das<br />

hinter einer staatlich garantierten Grundrente.<br />

Wie auch immer: Es gibt kein Entrinnen aus<br />

dem Bann theoretischer Vorprägungen, auch<br />

wenn in den einschlägigen öffentlichen Debatten<br />

noch so lautstark der Anspruch der wissenschaftlichen<br />

Objektivität oder der Alternativlosigkeit<br />

der jeweils propagierten Lösung vertreten<br />

wird.<br />

Aber es geht nicht bloß darum zu zeigen,<br />

dass auch der politische Bereich selbst theoretischen<br />

Vorprägungen unterliegt. Gerade im Themenfeld<br />

‚Parteien und Wähler‘ kommen zwei<br />

weitere Elemente ins Spiel, die sowohl die wissenschaftlichen<br />

Bestandsaufnahmen als auch das<br />

praktische Handeln färben, das wirtschaftliche

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