Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 20, 4/2007<br />
Steffen Schoon<br />
Das Parteiensystem in Ostdeutschland –<br />
regionalisiert, fragmentiert und funktionsgestört<br />
1 Einleitung<br />
Die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin,<br />
die – wenn auch nur kurzzeitige – Übernahme<br />
des SPD-Parteivorsitzes durch den brandenburgischen<br />
Ministerpräsidenten Matthias<br />
Platzeck sowie die Ausdehnung der PDS durch<br />
die Fusion mit der Wahlalternative Arbeit und<br />
<strong>Soziale</strong> Gerechtigkeit (WASG) zu einer gesamtdeutschen<br />
Linkspartei haben die bundesweite<br />
Bedeutung des ostdeutschen Parteiensystem und<br />
seiner Akteure zweifellos deutlich erhöht. Von<br />
einem ‚normalen‘ Parteiensystem nach westdeutscher<br />
Vorstellung kann jedoch nur in Ansätzen<br />
die Rede sein. Nach wie vor weisen die<br />
ostdeutschen Parteien spezifische Merkmale und<br />
Probleme auf, die sich deutlich von denen in<br />
den alten Ländern unterscheiden und die zudem<br />
in der gesamtdeutschen Öffentlichkeit offenbar<br />
nur zum Teil wahrgenommen werden. 1 Wie stellt<br />
sich aber nun die Situation des Parteienwettbewerbes<br />
im Allgemeinen und der Parteien im<br />
Besonderen in Ostdeutschland im 17. Jahr der<br />
deutschen Einheit dar?<br />
2 Fragmentierung und Regionalisierung<br />
des Parteiensystems<br />
Zwei Elemente können die Entwicklungen der<br />
letzten Jahre auf Ebene des Parteiensystems am<br />
ehesten beschreiben: Fragmentierung und Regionalisierung.<br />
Nachdem FDP und Bündnis 90/<br />
Die Grünen in den 1990er Jahren aus allen Landesparlamenten<br />
ausschieden, galt zunächst das<br />
‚Drei-Parteien-System‘ aus CDU, SPD und<br />
PDS als wichtigstes strukturelles Kennzeichen<br />
der ostdeutschen Parteienlandschaft und symbolisierte<br />
eine deutliche Diskrepanz zum west-<br />
37<br />
deutschen ‚Vier-Parteien-System‘. Die letzten<br />
Landtags- und Bundestagswahlen haben in dieser<br />
Hinsicht jedoch grundlegende Veränderungen<br />
mit sich gebracht. Zum einen konnten die<br />
Mitte der 1990er Jahre fast schon totgesagten<br />
Liberalen wieder reüssieren. 2002 gelangten sie<br />
zum Beispiel in Sachsen-Anhalt mit einem fulminanten<br />
Wahlerfolg von der außerparlamentarischen<br />
Opposition sofort in die Landesregierung<br />
und auch vier Jahre später war der Wiedereinzug<br />
in den Landtag kein Problem. Die FDP<br />
stellt auch in den Landtagen von Sachsen und<br />
Mecklenburg-Vorpommern wieder eigene Fraktionen.<br />
Bei der Bundestagswahl 2005 übersprang<br />
sie zudem in allen neuen Ländern die<br />
zumindest in psychologischer Hinsicht wichtige<br />
Fünf-Prozent-Hürde. Die Ursachen für die<br />
‚Wiederauferstehung‘ der Liberalen sind dabei<br />
nicht allein im Protestwahlverhalten gegen die<br />
Große Koalition im Bund zu suchen, denn die<br />
FDP erfährt darüber hinaus in zunehmendem<br />
Maße insbesondere bei jüngeren, leistungsorientierten<br />
Wählergruppen eine beständige Zustimmung.<br />
Auch Bündnis 90/Die Grünen sitzen wieder<br />
im Dresdner Landtag. Gleichwohl gestaltet sich<br />
die Lage für die Öko-Partei im Osten insgesamt<br />
schwieriger als für die Liberalen. Während sie<br />
in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-<br />
Anhalt aufgrund fehlender Milieustrukturen<br />
vermutlich auch weiterhin große Probleme haben<br />
werden, sich auf Landesebene zu etablieren,<br />
scheinen sich jedoch zumindest in Sachsen,<br />
Thüringen und Brandenburg diesbezüglich<br />
realistische Chancen zu bieten.<br />
Ein weiteres Element der Fragmentierung des<br />
Parteiensystems in Ostdeutschland ist die Stärke<br />
der rechtsextremen Parteien. In Brandenburg